Aminosäuren sind nicht nur etwas für Bodybuilder, die ihren Muskelaufbau fördern wollen. Sondern haben konkrete medizinische Nutzen. Eine noch andauernde Studie kann die Verminderung des Muskelschwunds bei Bettlägerigkeit durch gering dosiertes Leucin nachweisen.
Insgesamt 23 Aminosäuren spielen in unterschiedlichen Positionen auf dem Feld der Bildung von Proteinen. Daher heißen sie proteinogene Aminosäuren. Auf dem Platz derjenigen unter den Aminosäuren, die nicht in der Leber sondern direkt in den Muskeln verstoffwechselt werden, befindet sich neben Isoleucin und Valin auch Leucin. Ihre gemeinsame Bezeichnung lautet BCAA. Das leitet sich von “Branched Chain Amino Acids” her und bedeutet “verzweigtkettige Aminosäuren”.
Aufgrund des Ortes, an dem sie ihre Wirkung entfalten, spielen sie für Aufbau und Energieversorgung der Muskeln eine zentrale Rolle. Daher werden sie gerne von Sportlern und anderen Menschen, die körperlich stark gefordert sind, eingesetzt. Die Zufuhr von BCAA ist zudem lebenswichtig, da der menschliche Organismus sie nicht synthetisieren kann. Das heißt, sie gehören zu den essentiellen Aminosäuren. Für den Muskelaufbau muss jedoch berücksichtigt werden, dass die Einnahme aller drei BCAA in einem passenden Verhältnis erfolgen sollte, da ihre Synthese zu Proteinen sonst verhindert wird.
Muskelschwund Ursache: wenig Bewegung
Eine Studie der Universität von Texas, die aus naheliegenden Gründen von der NASA finanziert wurde, hat sich nun damit beschäftigt, mit welchem Erfolg eine der BCAA, das Leucin, eingesetzt werden kann, um einen Muskelschwund zu verhindern.1 Der Zusammenhang mit der US-Raumfahrtbehörde ist offensichtlich, befinden sich Astronauten doch oft monatelang im Orbit, ohne die Möglichkeit zu einem effektiven Training zu haben.
Die texanischen Wissenschaftler können ihre Untersuchung, die übrigens weiter fortgeführt wird, unter Berücksichtigung unterschiedlicher Gruppen durchführen. Für die letzte veröffentlichte Forschungseinheit standen Patienten mittleren und höheren Alters, die für eine gewisse Zeit ans Bett gebunden waren, im Fokus.
Bisherige Erfahrungen mit hochdosierten Mix aus Aminosäuren und Kohlenhydraten
Bereits in einigen vorangegangenen Studienabschnitten konnten die Forscher gute Ergebnisse mit einem Cocktail aus Aminosäuren und Kohlenhydraten erzielen. So durften in einer Untersuchung 13 gesunde Erwachsene für 28 Tage eine Ruhepause im Bett einlegen. Was sich zunächst nach Erholung pur anhört, führte bei den Probanden jedoch zu einem erheblichen Muskelschwund. Diejenigen allerdings, die die Aminosäuren-Kohlenhydrat-Kombination einnahmen, verloren nur halb soviel Muskelmasse wie die Teilnehmer, denen ein Placebo verabreicht wurde. Der Leiter der großangelegten Studienreihe, Dr. Douglas Paddon-Jones, konnte in diesem Resultat dennoch keinen Durchbruch erkennen.
Zum einen sind die verabreichten Stoffe zwar wirksam, schmecken nach Aussage Paddon-Jones jedoch so scheußlich, dass sie von bettlägerigen Patienten kaum dauerhaft eingenommen würden, wogegen auch das Kostenargument spricht, da hier erhebliche Ausgaben anfallen. Aus seiner langjährigen Erfahrung heraus weiß der leitende Wissenschaftler auch zu berichten, dass das Hauptproblem bei Menschen, die ans Bett gebunden sind darin besteht, dass sie insgesamt nicht genug Nahrung aufnehmen können oder wollen.
Alleinige Einnahme von Leucin weniger effektiv jedoch praktikabel
Im aktuellen Teil der Untersuchung wurde diesen Faktoren Rechnung getragen.2 Statt des Aminosäuren-Kohlenhydrat-Mix wurde den Probanden im Alter von 45 Jahren und mehr während einer auf zehn Tage angesetzten Bettruhe lediglich jeweils drei Gramm Leucin in das Frühstück, das Mittag- und das Abendessen beigemischt. Hierbei handelt es sich um eine Menge, die bereits in 115 Gramm magerem Rindfleisch enthalten und damit weder kostspielig sowie auch bei Appetitlosigkeit einnehmbar ist.
Der Grund, warum sich Paddon-Jones und sein Team für Leucin entschieden haben, besteht auch darin, dass diese Aminosäure nicht nur Proteinbaustein ist, sondern auch die einzigartige Funktion erfüllt, als Auslöser für die Aktivierung aller Proteinsynthesewege zu fungieren, die den Prozess des Muskelaufbau initiieren.
Dieser Weg, den Muskelschwund mit einer sehr geringen und gleichzeitig kostengünstigen Nahrungsergänzung durch nur eine Aminosäure zu begegnen, ist zwar geringfügig weniger effektiv, als die Vergabe einer hochdosierten Kombination aus Aminosäuren und Kohlehydraten, bietet aber einige Vorteile. Die Verabreichung erfolgt einfacher und kann leichter durchgehalten werden. Zudem bleibt bei der Drei-Gramm-Dosis das Gefühl einer Übersättigung aus. Die endgültigen Ergebnisse dieser Studie werden derzeit für die Veröffentlichung vorbereitet und können in Kürze zur Verfügung stehen.
Studien:
- Paddon-Jones, Douglas, et al., “Dietary protein recommendations and the prevention of sarcopenia – Protein, amino acid metabolism and therapy”, Curr Opin Clin Nutr Metab Care. 2009 January, 12(1), 86-90. ↩
- Paddon-Jones, Douglas, et al., “Leucine supplementation chronically improves muscle protein synthesis in older adults consuming the RDA for protein”, Clinical Nutrition, 2012 Aug, 31(4), 512-9 ↩