Eine spezielle Form des Vitamin E kann die Knochenbildung fördern und Abbau der Knochensubstanz begrenzen. Die Ergebnisse düfte die Maßnahmen zur Vorbeugung und Behandlung von Osteoporose erweitern. Ungefähr die Hälfte aller Deutschen nehmen nicht genügend Vitamin E auf.
Osteoporose, der Knochenschwund, ist eine tückische Mangelkrankheit, an der viele ältere Menschen unbewusst leiden. Tückisch deshalb, weil das Leiden sehr lange nicht schmerzhaft ist – bis der brüchige Knochen bei einer vergleichsweise harmlosen Belastung bricht. Erst dann wird dem Patienten bewusst, dass seine Knochen porös sind. Ein Wiederaufbau des Knochens kann nur in begrenzem Umfang und sehr langsam erfolgen.
Bisher ist die klassische Empfehlung, insbesondere für Frauen ab der Menopause: Vitamin D, Vitamin K und Kalzium. Vitamin D Mangel liegt bei etwa 90% der Menschen vor, oft auch ein Vitamin K Mangel. In der Ernährung befindet sich zudem oft zu wenig Kalzium und Magnesium. Dass auch Vitamin E besonders wichtig für den Knochenaufbau ist, war bisher nicht in dieser Form bekannt.
Vitamin E: 16 verschiedene Tocopherole und Tocotrienole
Diese Aussagen sind jedoch als sehr zusammenfassend zu verstehen. Einerseits variiert der Vitamin-E-Bedarf individuell und situationsbezogen. Stillende Mütter beispielsweise benötigen schon etwa 17 Milligramm am Tag. Andererseits bezeichnet der Ausdruck Vitamin E keine singuläre Substanz, sondern bezieht sich auf eine ganze Gruppe von Stoffen. Vollständig sind es 16 Formen, in denen Vitamin E auftreten kann. Dabei handelt es sich im Einzelnen um
- Tocopherol,
- Tocotrienol,
- Tocomonoenol und
- marines Tocopherol.
Jede dieser Varianten kommt in den vier Formen Alpha, Beta, Gamma und Delta vor. Tocomonoenol und marines Tocopherol sind recht selten zu finden. Zumeist wird Vitamin E mit Tocopherol verbunden. So bezieht sich die empfohlene Tagesdosis immer auf das alpha-Tocopherol. Andere Formen des Vitamins werden mit dem zwei- bis hundertfachen der entsprechenden Menge an alpha-Tocopherol gleichgesetzt.
Vitamin E in Lebensmitteln: Öle und Nüsse
Vitamin E ist besonders reichhaltig enthalten in Weizenkeim-, Sonnenblumen- und Olivenöl. Dies zeigt auch, dass es sich hier um ein fettlösliches Vitamin handelt. Während beim ersten der genannten Öle schon etwa fünf Gramm oder ein Teelöffel ausreichen, um den Tagesbedarf von 12 Milligramm im Mittel zu decken, werden beim zweiten 20 Gramm fällig und beim dritten, je nach Qualität, mindestens 40 Gramm.
Durch das Raffinieren geht übrigens neben anderen wichtigen Inhaltsstoffen und Aromaträgern rund 20 Prozent Vitamin E verloren, welches jedoch vor allem aufgrund des antioxidativen, haltbarkeitssteigernden Effektes des Vitamins später wieder zugesetzt wird. In kaltgepresstem Öl ist der natürliche Gehalt zu finden.
Für diejenigen, die nicht gerne Pflanzenöle in der Küche verwenden, bietet sich der Verzehr von Nüssen an. Hier decken bereits etwas über 50 Gramm Haselnüsse den Tagesbedarf an Vitamin E.
Tocotrienole haben besonders hohe antioxidative Wirkung
Um den Tagesbedarf an Vitamin E zu erfüllen, sind zum Beispiel statt 12 Milligramm Alpha-Tocopherol rund 40 Milligramm alpha-Tocotrienol erforderlich. Dies gilt allerdings nicht für die antioxidative Wirkung. Hier erreichen Tocotrienole eine bis zum Faktor 40 erhöhte Wirkung im Vergleich zu Tocopherolen.
Dennoch führen Tocotrienole in der Forschung bisher eher ein Schattendasein. Eine der wenigen Studien, die sich mit der dreifach ungesättigten Vitamin-E-Variante beschäftigt, stammt aus Malaysia und ist der medizinischen Fakultät der Kebangsaan oder Nationalen Universität zu verdanken.1
Südostasiatische Forscher beschäftigen sich mit alpha-Tocotrienol-Vitamin-E aus Annatto
So exotisch wie der Standort der federführenden Wissenschaftler ist auch das Produkt, welches für die Untersuchung eingesetzt wurde. Hier stand nämlich der Annatto genannte Samen des in den tropischen Gebieten Südamerikas beheimateten Orleansstrauches im Mittelpunkt. Wenn überhaupt, so ist Annatto in Europa als Lebensmittelfarbstoff oder als Gewürz für lateinamerikanische Fleischgerichte bekannt. In der Forschung ist der Samen vor allem deswegen interessant, weil das in ihm in einer hohen Konzentration von 143 Milligram auf 100 Gramm vorhandene Vitamin E zu 90 Prozent in der Form des delta-Tocotrienol vorliegt. Unter anderem deswegen wird Annatto auch in der Krebsforschung mehr und mehr beleuchtet.
Den malaysischen Forschern ging es jedoch um eine andere Wirkung des tropischen Samens. Sie setzten ihn in einer Untersuchung an Ratten ein, um zu erfahren, welchen Effekt delta-Tocotrienol auf die Bildung von Osteoblasten und Osteoklasten hat.
Osteoblasten und Osteoklasten
Bei beiden handelt es sich um Zellen des Knochengewebes. Erstere bilden eine Art Haut um die Knochen, durch die Knochensubstanz auch erneuert wird, während Letztere aus dem Knochenmark stammt und diese Substanz aufnimmt.
Die eingesetzten Ratten waren weiblich und entsprachen einem postmenopausalem Modell. Delta-Tocotrienol wurde entweder alleine eingesetzt oder in Kombination mit dem Ursprung aller Statine, dem Lovastatin. Eine alleinige Vergabe des erstmals 1987 in den USA zugelassenen Arzneistoffes in einer klinisch vertretbaren Dosis, die, auf den Menschen übertragen, 80 Milligramm am Tage entsprach, stellte sich als unwirksam für die Knochenbildung heraus. An delta-Tocotrienol Vitamin E erhielten die Ratten ein Äquivalent zu einer menschlichen Tagesdosis von 420 Milligramm.
Delta-Tocotrienol alleine und in Kombination mit Lovastatin wirksam
Das Ergebnis zeigte, dass sowohl die Kombination mit Lovastatin in geringer Dosierung als auch die Zufuhr von delta-Tocotrienol die Bildung von Osteoblasten und Osteoklasten erhöhte und die Osteoid-Biosynthese, also die Entstehung der Knochengewebsmatrix, die später mineralisiert wird, signifikant fördert.
Die Kombination aus Vitamin E und dem Statin sorgte zusätzlich dafür, dass der Abbau von Proteinen in den Knochen begrenzt und erodierter Knochenbelag daran gehindert wurde, sich auszubreiten. Diese Faktoren sprechen für eine Hemmung des Knochenabbaus. Hierbei hoben die südostasiatischen Wissenschaftler hervor, dass die Vitamin-E-Lovastatin-Combo in medizinisch akzeptablen Dosierungen des Arzneistoffanteils offensichtlich sowohl anti-osteoporotische sowie anabole Wirkungen entfaltet.
Dies eröffnet insbesondere für Frauen die Chance, durch eine vorbeugende Einnahme von delta-Tocotrienol-Vitamin-E die Entstehung einer Osteopenie zu vermeiden. Damit wird die Abnahme der Knochendichte bezeichnet, wovon Frauen insbesondere nach der Menopause aufgrund eines Östrogenmangels betroffen sind und woraus sich eine Osteoporose entwickeln kann. Aus dem Annatto-Samen ist delta-Tocotrienol als Präparat erhältlich. Über Lebensmittel kann auch die Verwendung von Palmöl einen nennenswerten Beitrag leisten. Hier sind immerhin noch bis zu knapp 10 Milligramm delta-Tocotrienol pro 100 Gramm enthalten.
Quelle:
- Abdul-Majeed, A., “Effects of tocotrienol and lovastatin combination on osteoblast and osteoclast activity in estrogen-deficient osteoporosis”, Evidence-Based Complementary and Alternative Medicine, Volume 2012, Article ID 960742 ↩