Folsäure ist ein Mangelvitamin. Laut Nationaler Verzehrsstudie nehmen 80% bis 90% der Bevölkerung in Deutschland nicht einmal die mindestens geforderten (NRV) 200µg Folsäure täglich zu sich. Dies macht sich langfristig mit erhöhtem Homocysteinspiegel bemerkbar. Aber eine gute Folsäureversorgung würde auch Geburtsfehler mindern. Jetzt ist festgestellt worden: Dank Folsäure-Anreicherung in Kanada seit 1998 sind angeborene Herzfehler dort rückläufig.
Folsäure verhindert während der Schwangerschaft massiv, dass beim sich entwickelnden Embryo Neuralrohrdefekte (Spina bifida) auftreten. Diese Fehlentwicklung, welche mit Schwerstbehinderungen und sogar dem Risiko einer Totgeburt verbunden sein kann, tritt allerdings in einem sehr frühen Schwangerschaftsstadium auf. Meist befindet sich die kritische Phase zwischen der vierten und fünften Woche.
Um einen ausreichend hohen Folsäure-Status zu erreichen, müssen Frauen also schon einige Wochen vor dem Eintritt der Schwangerschaft auf eine ideale Versorgung achten. Unter anderem um dies zu gewährleisten, werden in einigen Ländern verschiedene Grundnahrungsmittel wie Getreideprodukte obligatorisch mit Folsäure angereichert. Ab 1998 ist dies auch in den USA sowie in Kanada der Fall, wo seither je 100 Gramm Mehl zwischen 140 und 150 Mikrogramm Folsäure zugesetzt werden. Folge ist ein bemerkenswerter Rückgang an Neuralrohrdefekten (Spina bifida). Kanadische Forscher haben zudem herausgefunden, dass die Anreicherung mit Folsäure darüber hinaus das Auftreten bestimmter angeborener Herzfehler deutlich vermindert.
Umfassende Bevölkerungsstudie über 22 Jahre Folsäure Ergänzung
Für ihre Studie untersuchten die Wissenschaftler der Universität von British Columbia, Vancouver, Kanada, die Daten von fast sechs Millionen Lebend- und Totgeburten aus 14 kanadischen Regionen in den Jahren von 1990 bis 2011. Eingeschlossen waren auch Abtreibungen, die in einem späteren Schwangerschaftsstadium stattfanden. Schwangerschaften, die vor der 20. Woche beendet wurden, gingen jedoch nicht in die Untersuchung ein. In insgesamt rund 73.000 Fällen wurden bei der Geburt oder während der frühen Kindheit angeborene Herzfehler festgestellt.
Die Forscher bewerteten nun den Einfluss verschiedener Faktoren. Dazu gehörten das Alter der Mütter, Diabetes-Erkrankungen, die bereits vor der Schwangerschaft bestanden, Mehrlingsgeburten, Schwangerschaftsabbrüche sowie Komplikationen wie schwangerschaftsbedingte Bluthochdruck-Erkrankungen oder Präeklampsie. Nach dieser Datenbereinigung waren knapp 67.000 Geburten dazu geeignet, die Häufigkeit von angeborenen Herzfehlern vor und nach der Einführung der Folsäure-Anreicherung zu vergleichen.
Bis zu 27-prozentiger Rückgang angeborener Herzfehler durch Folsäure
Sehr deutlich wirkte sich die Verbesserung der Folsäure-Versorgung während der Schwangerschaft auf das Auftreten angeborener Anomalien am Herzausflusstrakt, also der Aorta und dem Aortenbogen, aus. Hier kam es zu einer Verminderung um 27 Prozent. Speziell Verengungen der Aorta traten ab 1998 zu 23 Prozent seltener auf. Bei fast einem Drittel aller angeborenen Herzfehler handelt es sich um sogenannte Ventrikelseptumdefekte oder Löcher in der Herzscheidewand.
Auf diesem Gebiet brachte die Folsäure-Anreicherung einen Rückgang um 15 Prozent. Bei Fehlbildungen außerhalb des Herzausflusstraktes sowie anderen angeborenen Herz-Kreislauf-Anomalien konnten allerdings keine Verbesserungen festgestellt werden (1).
Wie sieht die Folsäure Situation in Deutschland aus?
In Deutschland wurde 1998 nach Aussagen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) durchschnittlich nur etwa die Hälfte der täglich empfohlenen 400 Mikrogramm Folsäure zugeführt. Lediglich 16 Prozent der Männer und zehn Prozent der Frauen kommen ohne Ergänzungen auf eine ausreichende Versorgung.Mittlerweile wurden die Mindestmengen (NRV) von der europäischen Lebensmittelbehörde auf 200 µg gesenkt. Auch dies erreichen weit über 80% der Deutschen nicht, so die Nationale Verzehrsstudie 2008.
Die DGE empfiehlt daher eine Folsäure-Anreicherung von Mehl und Mehlprodukten. Sie sollte 150 Mikrogramm pro 100 Gramm betragen (2). Das war 2006! Obwohl diese Forderung regelmäßig von Experten wiederholt wird und die Erfahrungen beispielsweise in den USA und Kanada ausnahmslos positiv sind, findet hierzulande auch weiterhin keine Anreicherung statt.
Quellen:
(1) Liu, Shiliang, et al., Effect of Folic Acid Food Fortification in Canada on Congenital Heart Disease Subtypes, Circulation, August 30, 2016, Volume 134, Issue 9, Epub published ahead of print.
(2) Krawinkel, M., et al., DGE – Strategien zur Verbesserung der Folatversorgung in Deutschland – Nutzen und Risiken, Oktober 2006, Epub published ahead of print.