Unsere Breitengrade sind nicht eben von der Sonne verwöhnt. Im Winter vergehen oft Wochen, bis sich der blaue Himmel einmal zeigt, und auch dann setzen wir dem Licht kaum mehr als unsere Nasenspitze aus. 2012/2013 war der dunkelste Winter seit Beginn der Wetteraufzeichnungen.
Urbane Lebensweise in geschlossenen Räumen und die – nicht unberechtigte – Furcht vor UV-Strahlen, die Deutsche kaum noch ohne Sonnencreme das Haus verlassen lässt, sind sogar im Sommer schlechte Voraussetzungen für einen normalen Vitamin D-Spiegel: Das Sonnenvitamin wird mit Hilfe von UV-Licht in der Haut gebildet.
Herkömmliche Nahrungsmittel enthalten nur sehr geringe Mengen von Vitamin D, so dass vor allem im Winterhalbjahr eine Unterversorgung nur mit langen, regelmäßigen Aufenthalten im Freien oder Nahrungsergänzungsmitteln vermieden werden kann.
Vitamin D-Mangel: folgenschwer und alarmierend verbreitet
Vitamin D-Mangel ist so verbreitet, dass Experten bereits von einer Epidemie sprechen. Die überwiegende Mehrheit der Deutschen nimmt auch nicht genügend Vitamin D mit der Nahrung auf 1 und hat so zumindest in den Wintermonaten einen viel zu geringen Vitamin D-Spiegel im Blut.
Schon lange weiß man, dass Vitamin D-Mangel das Risiko von Rachitis und Osteoporose erhöht. In den letzten Jahren finden sich immer mehr Studien, die Vitamin D zudem mit einer Vielzahl von Körperprozessen jenseits der Knochengesundheit in Zusammenhang bringen. Lungen-, Nieren-, Herz- und Hautgesundheit sowie ein starkes Immunsystem scheinen direkt mit ausreichend Vitamin D verknüpft zu sein. Vitamin D-Mangel erhöht das Risiko für bestimmte Krebsarten und Diabetes und wurde sogar mit dem Auftreten von Depressionen und Schizophrenie in Verbindung gebracht.
Wichtiges Vitamin D
Auch wenn es wohl naiv wäre, den Mangel am D-Vitamin nun als alleinige Ursache aller Zivilisationsleiden zu betrachten: Es lohnt sich, den Vitalstoff im Auge zu behalten. Vitamin D-Mangel könnte zum Beispiel auch für scheinbar unvermeidliche Winterprobleme wie PMS, Müdigkeit, Kopfschmerzen und Abgeschlagenheit verantwortlich sein 2.
Wie genau Vitamin D in all diese Körperprozesse eingreift, ist häufig noch nicht klar. Eine kleine Studie fand erstmalig eine mögliche körperliche Ursache für die durch Vitamin D-Mangel ausgelöste Müdigkeit.
Studie legt Zusammenhang zwischen Vitamin D-Spiegel und Mitochondrienfunktion nahe
Die Studie, 2013 publiziert im Journal „Endocrine Abstracts„, zeigt, wie positiv sich die Normalisierung des Vitamin D-Spiegels auf Muskelleistung und Allgemeinbefinden einer kleinen Patientengruppe mit ausgeprägtem Vitamin D-Mangel auswirkte 3. Das Forscherteam um Dr. Akash Sinha von der Newcastle University in Großbritannien überprüfte die Leistungsfähigkeit der Wadenmuskulatur vor dem Beginn der Supplementierung mit Vitamin D und nach 10 bis 12 Wochen, während derer die Patienten täglich eine festgelegte Dosis Vitamin D einnahmen.
Als Maß für die Leistungsfähigkeit diente die Geschwindigkeit der Erholung des Phosphokreatinspiegels nach Muskelbelastung, die sich mit der Methode der Magnetresonanzspektroskopie während und nach der Belastung am Ergometer quasi in Echtzeit messen lässt. Je kürzer diese Regenerationsphase ist, desto eher kann der Muskel wieder voll belastet werden.
Energiereiche Phosphatgruppen sind die Energiewährung des ganzen Körpers. Im Muskel liegen diese Gruppen in Form von ATP und Phosphokreatin vor. Kreatin wird im Ruhezustand von den Mitochondrien der Muskelzelle mit Phosphat „aufgeladen“ und während der Muskelkontraktion wieder degradiert. Legt der Muskel nach der Kontraktion eine Ruhepause ein, wird der Phosphokreatinspiegel regeneriert. Voraussetzung für eine schnelle Regeneration sind leistungsfähige Mitochondrien.
Dr. Sinha und seine Kollegen maßen die Erholung des Phosphokreatinspiegels nach Muskelaktivität bei ihren Patienten im Vitamin D-Mangelzustand und nach 10-12 Wochen Vitamin D-Supplementierung. Dabei zeigte sich ein signifikanter Unterschied in der Regenerationsgeschwindigkeit. Bei Vitamin D-Mangel erholte sich die Phosphokreatinkonzentration durchschnittlich in 34,4 Sekunden auf die Hälfte des Ruhewertes. Nach 10 bis 12-wöchiger Vitamin D-Gabe war diese Zeit auf 27,8 Sekunden gesunken und damit deutlich verkürzt.
Damit wurde erstmalig ein Zusammenhang zwischen dem Vitamin D-Status und der Leistungsfähigkeit der Mitochondrien der Skelettmuskulatur nachgewiesen. Körperliche Müdigkeit und Muskelschwäche ließen sich in der Studie durch orale Gabe von Vitamin D signifikant reduzieren. Auch subjektiv fühlten sich die Patienten nach Normalisierung des Vitamin D-Spiegels leistungsfähiger. Ein ähnlicher Zusammenhang kann für die Mitochondrien in anderen Körpergeweben (etwa im Nervengewebe) vermutet werden. Es ergibt sich ein deutlicher Hinweis auf eine mögliche körperliche Basis typischer Vitamin D-Mangelerscheinungen.
Quellen und Studien:
- Nationale Verzehrsstudie II – im Auftrag des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz durchgeführt vom Mac Rubner-Institut (2005-2008) ↩
- Vitamin D status in patients with musculoskeletal pain, fatigue and headache: a cross-sectional descriptive study in a multi-ethnic general practice in Norway. K.V.Knutsen, M.Brekke, S.Gjelstad, P.Lagerløv. Scandinavian Journal of Primary Health Care 28 (2010) ↩
- Improving the vitamin D status of vitamin D deficient adults is associated with improved mitochondrial oxidative function in skeletal muscle. A.Sinha1, K.Hollingsworth, S.Ball, T.Cheetham. Endocrine Abstracts 31 (2013) ↩