Seit Anfang der 1990er Jahre macht Kreatin zunehmend in Bezug auf leistungssteigernde Wirkungen im Sport von sich Reden. Es handelt sich dabei jedoch nicht um ein risikoreiches oder unerlaubtes Dopingmittel, sondern um einen Stoff, der auf ganz natürliche Weise auch im Körper entsteht.
Kreatin wird in einem mehrstufigen Prozess synthetisiert. Zunächst einmal entsteht in Nieren und Bauchspeicheldrüse aus den Aminosäuren Arginin und Glycin der Grundstoff für Kreatin, Guanidinoacetat. Nun kommt es in der großen Chemiefabrik des Körpers, der Leber, gemeinsam mit Methionin zu einer Aktivität des Enzyms Guanidinoacetat-N-Methyltransferase (GAMT). Für den chemischen Transfer der einzelnen Stoffe, hier sind es Methylgruppen, sorgt S-Adenosylmethionin (SAM).
Daher wird der für sehr viele Vorgänge im Körper wichtige Stoff auch als Methyldonor bezeichnet. Am Ende ist aus den Aminosäuren Arginin, Methionin und Glycin das Kreatin entstanden. Trotz seiner Herkunft ist Kreatin selber keine Aminosäure und auch kein Peptid genanntes “Mini-Protein”.
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Kreatin: nicht essentiell, keine Aminosäure
Kreatin ist nicht essentiell (bedeutet: sind die Bausteine vorhanden, entsteht Kreatin im Körper). Unter den Bausteinen von Kreatin produziert der Körper nur Glycin meistens in ausreichenden Mengen. Das semi-essentielle Arginin muss häufig von außen zugeführt werden und das schwefelhaltige Methionin ist essentiell.
Das heißt, dass der menschliche Organismus nicht in der Lage ist, es zu produzieren und auf Quellen aus der Nahrung zurückgreifen muss. Kreatin jedoch wird in der Regel bedarfsdeckend aus der körpereigenen Herstellung zur Verfügung gestellt.
Kreatin in der Nahrung
Allerdings gilt dies nur mit Einschränkungen. Auch der Kreatin-Stoffwechsel hat sich im Laufe der Evolution entwickelt. Evolutionäre Vorgänge sind aber immer sehr langfristige Anpassungsprozesse. Der menschliche Bauplan ist seit mindestens 200.000 Jahren nahezu unverändert. Daher lohnt sich ein Blick auf diese prähistorische Zeit. Die Einhaltung eines regelmäßigen Ernährungsplans war in dieser Periode nur extrem selten durchführbar. Der Speisezettel sah regulär vegetarische Nahrungsmittel vor, die gesammelt werden konnten. In der Zeit jedoch, da den Mitgliedern einer Gemeinschaft das Jagdglück hold war, kam es kurzfristig zu einem intensiven Genuss von Fleisch. Tägliche Mengen von über zwei Kilogramm waren dann keine Seltenheit.
Auf das Kreatin-Depot kommt es an
Außerhalb der körpereigenen oder endogenen Produktion kommt Kreatin fast ausschließlich mit bis zu fünf Gramm pro Kilogramm in frischem Fleisch und Fisch vor. Wildfleisch sowie einige Fische bringen es auf maximal 10 Gramm pro Kilogramm.1
Hier kann ein äußerst interessanter Effekt beobachtet werden. Mit der erhöhten Zufuhr von außen kommt die Herstellung im Organismus zum erliegen. Sie setzt jedoch erneut ein, wenn die Nahrungsquelle versiegt. Grundsätzlich benötigt der Mensch rund zwei Gramm Kreatin täglich.2 Etwas mehr als die Hälfte davon kann er selber bereitstellen. Der Rest muss über die Nahrung zugeführt werden. Allerdings ist Kreatin ein Depot-Stoff. Das heißt, er wird vor allem – zu etwa 95 Prozent – in der Skelettmuskulatur mit einer Halbwertzeit von gut einem Monat gespeichert. Gleichzeitig wird Kreatin von der Muskulatur nicht besonders gut aufgenommen. Um also die Depots bis zur genetischen Obergrenze aufzufüllen, ist es sinnvoll, eine sehr hohe Menge innerhalb eines eng definierten Zeitraums aufzunehmen.
Genau dies taten die Urmenschen und es ist durchaus ebenso vorstellbar, dass sich unter normalen Bedingungen ein größerer Jagderfolg alle vier bis sechs Wochen einstellte. Damit war die regelmäßige Auffüllung der Kreatin-Depots auf etwa 150 Gramm, was in der modernen Sportmedizin übrigens Kreatin-Loading genannt wird, gewährleistet.
Kreatin-Mangel bei Vegetariern möglich
Die Ernährungsgewohnheiten des modernen Menschen unterscheiden sich davon grundlegend. Für Vegetarier gilt ohnehin, dass eine Supplementierung mit Kreatin sinnvoll ist. Aber auch Menschen, die sich unter anderem von Fleisch ernähren, können eine Unterversorgung aufweisen. Durch die Verarbeitung von Fleisch, sei es durch Pökeln bei der Wurstherstellung oder Erhitzen, geht nämlich ein Großteil des Kreatins verloren.
Energiespeicher Kreatin
Bei Menschen, die hohen körperlichen Belastungen ausgesetzt sind, kann so ein Mangel entstehen. Kreatin wirkt bei erhöhter Leistungsanforderung gewissermaßen als Puffer, bis andere Energiereserven bereitstehen. Zunächst jedoch wird in solchen Situationen für wenige, selten mehr fünf Sekunden auf das unmittelbar verfügbare Nukleotid Adenosintriphosphat (ATP) zurückgegriffen. Daraufhin kommt das gespeicherte Kreatin für eine knappe Minute zum Einsatz, welches gleichzeitig die ATP-Vorräte regeneriert.
Erst danach wird Energiegewinnung durch den Abbau von Glykogen also den Reserven in Form von Mehrfachzuckern realisiert. Steht in diesen Fällen nicht genügend Kreatin zur Verfügung, kommt es zu Einschränkungen in der Ausdauer, schneller Ermüdung, Kraftverlust und Muskelschmerz.
Kreatin im Sport und Bodybuilding
Leistungssteigernde Wirkung von Kreatin belegt
Ein sehr hoher Kreatin-Vorrat hingegen wirkt sich unmittelbar leistungssteigernd aus. Daher wird Kreatin häufig von Sportlern eingesetzt. Dies wird auch von zahlreichen wissenschaftlichen Studien gestützt. Am schwedischen Karolinska-Institut, einer der renommiertesten medizinischen Universitäten Europas, beispielsweise wurde eine Untersuchung mit trainierten, männlichen Probanden am Fahrradergometer durchgeführt. Nach einer sechstägigen Kreatin-Vergabe stieg der Kreatin-Anteil in den Muskeln von durchschnittlich 128,7 Nanomol pro Kilogramm auf 151,5 Nanomol. Gleichzeitig konnten die Forscher eine signifikant erhöhte Leistungsfähigkeit feststellen.3
In einer weiteren Untersuchung, die an der medizinischen Fakultät der Universität von Nottingham, Vereinigtes Königreich, durchgeführt wurde, stand ebenfalls das Fahrradergometer im Mittelpunkt. Hier maßen die Wissenschaftler in drei aufeinanderfolgenden Einheiten die maximale Leistungsfähigkeit der Probanden für jeweils 30 Sekunden. Während der ersten zwei Durchgänge stellten sie signifikante Leistungssteigerungen durch Kreatin im Vergleich zu einem Placebo fest. Während der dritten Runde war dies nicht mehr der Fall.4 Auch dies bestätigt die Pufferfunktion in der Bereitstellung von Energie durch Kreatin bis Glykogen verfügbar ist.
Der “Mettbrötchen-Effekt” – Kreatin mit Kohlenhydraten kombinieren!
Kreatin wird von den Muskeln besser in Kombination mit Kohlenhydraten aufgenommen: Ebenfalls aus Nottingham stammt eine Forschung, bei der die Wirkung von Kreatin alleine sowie gemeinsam mit der Zufuhr von Kohlenhydraten getestet wurde. Dabei kam heraus, dass lediglich die Einnahme von Kreatin keinen Einfluss auf den Insulingehalt im Serum hatte. Wurde es jedoch in Kombination mit Kohlenhydraten verabreicht, stieg das Serum-Insulin erheblich an.
Wie bereits erwähnt, wird Kreatin nur schlecht von den Muskeln aufgenommen. Über die Vermittlung von Insulin wird die Absorption aber deutlich gesteigert. Daher empfehlen die Forscher eine begleitende Aufnahme von Kohlenhydraten.5 In einer weiteren Studie stellte das gleiche britische Team fest, dass die Kombination mit Kohlenhydraten die Speicherung von Kreatin nicht weiter fördert, wenn die Leistungsanforderung vor der Einnahme stattfindet.6
Kreatin-Loading füllt Depots auf
Im Leistungssport hat sich ebenfalls bewährt, ein sogenanntes Kreatin-Loading durchzuführen. Dabei werden in der Aufladephase über bis zu einer Woche täglich 20 bis 25 Gramm Kreatin in vier bis fünf Portionen a fünf Gramm eingenommen. Dies sorgt dafür, dass trotz schwieriger Aufnahme, die Kreatin-Depots in den Muskel aufgefüllt sind. Danach wird die Dosis für zwei bis drei Wochen auf fünf Gramm am Tag abgesenkt. Im Folgenden wird eine Erhaltungsdosis von zwei bis drei Gramm eingenommen.
In einer Studie der südafrikanischen Stellenbosch Universität konnten auf diese Weise die Indikatoren für eine erhöhte Leistungsfähigkeit bei jungen Rugbyspielern nach der Aufladephase um 56 Prozent gesteigert werden und in den folgenden beiden Wochen immerhin noch um über 40 Prozent.7
Vegetarier profitieren besonders von Kreatin
Genau dieser Effekt ist auch für Vegetarier interessant. Sie sind ohnehin in Gefahr, von einem Kreatin-Mangel betroffen zu sein. Eine kanadische Studie der St. Francis Xavier Universität belegt hier, dass das Loading-Verfahren dieses Defizit ausgleichen und den Aufbau von Muskelmasse unterstützen kann. Insgesamt 19 Vegetarier, davon drei Veganer, sowie 30 Nicht-Vegetarier nahmen an der Untersuchung teil. Die Freizeitsportler nahmen in der Ladephase durchschnittlich täglich knapp 17 Gramm Kreatin über sieben Tage zu sich und danach für 49 Tage gut vier Gramm. Einer zweiten Gruppe wurden Placebos gegeben. Begleitet wurde die Einnahme von einem intensiven Krafttraining.
Wie zu erwarten, führte die Kreatin-Einnahme zu einem stärkeren Aufbau an Muskelmasse als das Placebo. Ein Vergleich zwischen den Vegetariern und den Nicht-Vegetariern ergab überraschenderweise, dass die fleischlos lebenden Probanden stärker von dem Kreatin profitierten. Bei ihnen stieg nach zwei Monaten der Anteil des Muskel- beziehungsweise fettarmen Gewebes um 2,4 Kilogramm. Bei den Nicht-Vegetariern waren es nur 1,9 Kilogramm. Analog dazu zeigte sich auch höherer Kraftzuwachs in dieser Gruppe.8
Kreatin gegen neuromuskuläre Erkrankungen
Darüber hinaus gibt es eine medizinische Anwendung für Kreatin. Hier konnte nachgewiesen werden, dass eine Supplementierung wirksam gegen neuromuskuläre Erkrankungen sein kann.9 In einer Untersuchung an der Ludwig-Maximilians-Universität in München konnten bei Patienten, die an Fazioskapulohumeraler Muskeldystrophie (FSHMD), Becker-Muskeldystrophie, Duchenne-Muskeldystrophie und Giedergürtel-Muskeldystrophie bereits nach zehn Tagen erste Therapieerfolge erzielt werden. Nach Abschluss der knapp zwei monatigen Studie ergaben sich erhebliche Verbesserungen bezüglich der Muskelstärke und bei der Bewältigung alltäglicher Aufgaben.10
Das ist bei der Kreatin-Einnahme zu beachten
Für den Fall, dass ein Nierenfunktions-Test ansteht, sollte Kreatin nicht verwendet werden. Es sind hier zwar keine negativen Auswirkungen für den Körper bekannt. Aber ein Spaltprodukt des Kreatins kann fälschlicherweise auf eine Niereninsuffizienz hinweisen. Darüber hinaus kann es bei einer Einnahme unter tropischen, also heißen und feuchten Bedingungen während der darauf folgenden Belastungen zu einer erhöhten Hitzewahrnehmung, einer verstärkten Neigung zu Dehydrierung und eventuell auch Durchfällen kommen.
Kaffee verringert, Vitamine und Aminosäuren unterstützen die Wirkung
Wird Kreatin gemeinsam mit koffeinhaltigen Getränken genommen, vermindert sich die Wirkung rapide. Eine Vitaminzufuhr, insbesondere von Vitamin C unterstützen Kreatin ebenso wie die Einnahme von Aminosäuren, die für den Aufbau von Muskelgewebe hilfreich sind. Das sind im Wesentlichen Glutamin, Taurin sowie die BCAA’s Leucin, Isoleucin und Valin.
Studien und Quellen:
Ernährungsmedizin: nach dem Curriculum Ernährungsmedizin der Bundesärztekammer, herausgegeben von Hans-Konrad Biesalski, Stuttgart, 2004, S. 236 ↩
Balsom, P. D., et al., “Creatine in humans with special reference to creatine supplementation”, Sports Med. 1994 Oct;18(4), S. 268 – 80. ↩
Balsom, P. D., et al., “Skeletal muscle metabolism during short duration high-intensity exercise: influence of creatine supplementation”, Acta Physiol Scand. 1995 Jul;154(3), S 303 – 10. ↩
Birch, R., et al., “The influence of dietary creatine supplementation on performance during repeated bouts of maximal isokinetic cycling in man”, Eur J Appl Physiol Occup Physiol. 1994;69(3), S. 268-76. ↩
Green, A. L., “Carbohydrate ingestion augments skeletal muscle creatine accumulation during creatine supplementation in humans”, Am J Physiol. 1996 Nov;271(5 Pt 1), S. 821 – 26. ↩
Green, A. L., et al., “Carbohydrate ingestion augments creatine retention during creatine feeding in humans”, Acta Physiol Scand. 1996 Oct;158(2), S. 195 – 202. ↩
van der Merwe, J. et al., “Three weeks of creatine monohydrate supplementation affects dihydrotestosterone to testosterone ratio in college-aged rugby players”, Clin J Sport Med. 2009 Sep;19(5), S. 399 – 404. ↩
Burke, D. G., et al., “Effect of creatine and weight training on muscle creatine and performance in vegetarians”, Med Sci Sports Exerc. 2003 Nov;35(11), S. 1946 – 55. ↩
 Tarnopolsky, M., et al., “Creatine monohydrate increases strength in patients with neuromuscular disease”, Neurology. 1999 Mar 10;52(4), S. 854 – 57. ↩
Reilich, P., et al., “Kreatinmonohydrat bei neuromuskulären Erkrankungen”, Nervenheilkunde 1, 2002, S. 24-27. ↩