Weihrauch ist ein uraltes Naturheilmittel gegen entzündliche Erkrankungen. Zu den potentiell wirksamen Boswelliasäuren sind aber relativ wenige Studien durchgeführt und veröffentlicht worden. Eine Zusammenfassung zum Stand der Forschung und dem Versuch der Beantwortung der Frage: ist Weihrauch wirksam oder Hokuspokus?
Der Klang des Wortes Weihrauch ist verbunden mit einer geheimnisvollen Atmosphäre und feierlichen Stimmung. Dies gilt nicht nur für christliche Messen. Auch für die Rituale anderer Religionen und Kulte ist Weihrauch ein fester Bestandteil. Zu diesem Zweck sind der Rauch und der Duft, die beim Verbrennen des orientalischen Baumharzes auf glühender Kohle entstehen, maßgeblich. Hier allerdings sollte nicht übertrieben werden.
Wer gelegentlich Weihrauch zu Hause verbrennt, befindet sich sicher in keiner akuten Gefahr. Jedoch entstehen bei diesem Prozess auch gesundheitsschädliche und krebserregende Stoffe. Allzu oft sollte die stimmungsvolle Zeremonie also nicht durchgeführt werden.
Nur Indischer Weihrauch dokumentiert
Das Harz stammt vom Weihrauchbaum (botanisch: Boswellia), der von Ost-Afrika über die arabische Halbinsel bis nach Indien gedeiht. Für medizinische Zwecke wird allerdings nur Indischer Weihrauch (Boswellia serrata) eingesetzt. Das liegt nicht daran, dass andere Sorten weniger wirksam sind. Es ist eben nur der Indische Weihrauch im europäischen Arzneibuch beschrieben, sodass nur dieser zur Behandlung eingesetzt werden kann.
Botanisch stammen die Baumharze von einer der 18 Arten des Weihrauchbaumes. Bekannt sind vor allem:
- Boswellia serrata (nördliches und zentrales Indien)
- Boswellia sacra = Boswellia carterii (Oman, Yemen, Somalia)
- Boswellia papyrifera (Nigeria, Kamerun, Äthiopien, Eritrea)
- Boswellia frereana (Somalia)
- Boswellia socotrana (Socotra)
- Boswellia ameero (Socotra)
- Boswellia ovalifoliata (Süd Indien).
Der indische Weihrauch (Boswellia serrata) und der Omanische Weihrauch (Boswellia sacra) enthalten die höchsten Konzentrationen an Boswelliasäuren, aber auch andere Arten sind durchaus gut geeignet zur Extraktion der wirksamen Bestandteile mit Ethanol.
Anwendung von Weihrauch in der Medizin des Altertums
Historisch hat man Boswelliasäuren für diese Zwecke eingesetzt:1
- bei Entzündungen der Atemwege, inkl. Mandelentzündungen,
- bei Hautentzündungen (Brandwunden, Kräze, Schuppenflechte, auch Wucherungen),
- bei Magen-Darm Erkrankungen.
Auch im Mittelalter ist die Anwendung von Weihrauch für Erkrankungen von Haut, Nerven, Magen-Darm und der Atemwege eingesetzt worden. In der Neuzeit sind Boswelliasäuren zunehmend bei Erkrankungen des Bewegungsapparates angewendet worden (Gicht, Rheuma). Analogien werden insbesondere zum Wirkstoff Diclofenac gezogen, der Bestandteil von entzündungshemmenden Salben und Tabletten für rheumatische Erkrankungen ist.
Boswelliasäuren zeigen Wirkung
Dazu wird der Weihrauch freilich nicht wie zu kultischen Zwecken verbrannt, sondern zu einem Extrakt verarbeitet und dann zur äußerlichen Anwendung in Salben oder zur inneren Anwendung in Kapseln gegeben. Vor zentraler Bedeutung dabei ist der Wirkstoff des Weihrauchs: Die Boswelliasäuren, die manchmal auch Boswellinsäuren genannt werden. Sie werden in Alpha-Boswelliasäure und Beta-Boswelliasäure unterteilt. Zudem sind fünf Derivate bekannt.
Weihrauch ist bereits seit 5.000 Jahren in Gebrauch, vergessen und wiederentdeckt
Die Hauptwirkung der Boswelliasäuren richtet sich gegen Erkrankungen, die mit Entzündungen zusammenhängen. Interessanter Weise gehörte Weihrauch bis zur zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, wie auch seit rund 5.000 Jahren in der Ayurvedamedizin, zur Standardbehandlung in Europa gegen Rheuma. Danach wurden im Oxident jedoch chemischen Pharmazeutika der Vorzug gegeben. Erst gegen Ende des 20. Jahrhunderts wurde das alte Naturheilmittel wiederentdeckt.
Erste Studien richteten sich auf das Boswelliasäure-Derivat AKBA
Seit dieser Zeit werden die Boswelliasäuren von der Wissenschaft genauer unter die Lupe genommen. In einer 2001 veröffentlichten Studie, die an der Eberhard Karls Universität Tübingen durchgeführt wurde, stand insbesondere ein Boswelliasäure-Derivat im Mittelpunkt. Dabei handelt es sich um Acetyl-11-keto-ß-boswelliasäure (AKBA).
Die tübinger Wissenschaftler fanden in einer In-Vitro- oder Reagenzglasuntersuchung heraus, dass AKBA das Enzym Arachidonat-5-Lipoxygenase (5-LO) hemmt. Dieses bringt aus Arachidonsäure Leukotrien A4 hervor, welches für entzündliche Prozesse sowie allergische Reaktionen verantwortlich ist.2
AKBA-Wirkung kritisch hinterfragt
Kritisch wurden diese Ergebnisse auch von Wissenschaftlern des Zentrums für Arzneimittelforschung, Entwicklung und Sicherheit (ZAFES), das der Goethe Universität Frankfurt angeschlossen ist, bewertet. Diese bestreiten zwar in keiner Weise die entzündungshemmenden Wirkungen der Boswelliasäure-Derivate. Allerdings entdeckten sie, dass In-Vitro effektive Konzentrationen bei Studien am lebendigen Objekt wirkungslos blieben.3
Neuere Forschung stellt andere Boswelliasäuren in den Vordergrund
Zudem besteht der Verdacht, dass die isolierten Derivate AKBA und 11-Keto-?-boswelliasäure (KBA) ungleich weniger entzündungshemmend sind als Weihrauch-Extrakte mit allen Boswelliasäuren-Komponenten. In einem Arbeitsgruppenpapier von Forschern der Universität Tübingen wird so auch festgestellt, dass die entzündungshemmenden Eigenschaften des Weihrauchs auf anderen Mechanismen oder anderen Inhaltsstoffen als AKBA beruhen müssen.
In ihrem Papier bilden die Wissenschaftler die Hypothese, dass Boswelliasäuren eine Art Köderfunktion für Proteine spielen, die sich als entzündungsfördernde eiweißspaltende Enzyme betätigen. Dazu gehört auch das Cathepsin G, welches durch Boswelliasäuren gebunden wird und dadurch nicht nur seine enzymatisch spaltende Kraft verliert, sondern auch keine entzündlichen Prozesse mehr fördern kann.
Im Resümee stellen die Tübinger heraus, dass nach Ihren Untersuchungen die wenig beachtete Beta-Boswelliasäure, welche nach ihren Aussagen auch isoliert wirksam ist, sowie das Derivat 3-O-Acetyl-?-boswelliasäure dafür hauptverantwortlich sind.4 Aber auch für diese Darstellung der anerkannten pharmakologischen Wirkung von Weihrauchextrakten sind, wie die Wissenschaftler selber auch einräumen, die vorliegenden Studien noch nicht aussagekräftig genug.
Weihrauch bei Morbus Crohn
Morbus Crohn ist eine Autoimmunerkrankung, die zu einem langsamen Zerfall der Magen- und Darmschleimhäute führt. Eine Untersuchung zu Morbus Crohn aus 2009 hat ergeben, dass Weihrauch, über den Zeitraum von 12 Monaten eingenommen und in einer Dosierung von 2.400 mg am Tag, verteilt auf drei Einnahmen, zu einer signifikanten Senkung des Cathepsin-G Aktivität führt. 5
Im Tierversuch auch Erfolge bei bestimmten Hirntumoren
Weiterhin machen Boswelliasäuren bezüglich positiver Aspekte bei der Krebsbehandlung von sich Reden.6 Einen wichtigen Beitrag hier konnte eine Dissertation an der Justus-Liebig-Universität Gießen leisten. Dabei ging es um den Einsatz von Boswelliasäuren bei Gliomen. Als Gliome werden eine Gruppe von Hirntumoren bezeichnet, die etwa die Hälfte aller vorkommenden Tumore im Schädelbereich ausmachen. Weibliche Ratten wurden nun Gliom-Zellen im entsprechenden Hirnbereich implantiert. Daraufhin wurden die Tiere randomisiert in vier Gruppen aufgeteilt. Während eine Gruppe unbehandelt blieb und zur Kontrolle diente, bekamen die Ratten in den anderen Gruppen Boswelliasäuren in unterschiedlichen Dosierungen.
Dabei konnte festgestellt werden, dass die Überlebenszeit dosierungsabhängig war und die Nager mit der höchsten Medikamention doppelt so lange überlebten wie die Tiere in der Kontrollgruppe.
Dosierung, Nebenwirkungen, Alternativen
Die Boswelliasäuren werden in Studien bei oraler Einnahme mit etwa 800mg täglich bis 4.000 mg täglich angewendet. Insgesamt sind Boswelliasäuren gut verträglich. Sie zeigen pharmakologische Wirkung, also einen messbaren Effekt, auf Entzündungen. Unklar sind allerdings die Wirkmechanismen.
Unklar und nicht standardisiert ist auch die Herstellung des Baumharzes. Verunreinigungen können bei diesem Naturprodukt daher durchaus vorkommen. Wer z.B. unter Arthrose und Arthritis leidet, sollte daher zunächst auf besser erforschte Naturheilmittel wie Glucosamin, Chondroitin, Omega-3-Fettsäuren oder Pinienrindenextrakt zurückgreifen.
Quellen:
- siehe http://www.lak-bw.de/fileadmin/downloads/Fortbildung/pdf/LAK_Weihrauch_-_Neues_aus_der_Forschung_07072011_Skript.pdf ↩
- Boden, S.E., et al., “Stimulation of leukotriene synthesis in intact polymorphonuclear cells by the 5-lipoxygenase inhibitor 3-oxo-tirucallic acid”, Molecular Pharmacologie, 2001 Aug;60(2), 267 – 73. ↩
- Krüger, P., et al., “Metabolism of boswellic acids in vitro and in vivo”, Drug Metab Dispos. 2008 Jun;36(6), 1135 – 42. ↩
- Werz, Oliver, et al., “Weihrauch in der Therapie: Pharmakologische Wirksamkeit oder doch nur Hokuspokus?” Onlineveröffentlichung: http://www.uni-muenster.de/imperia/md/content/pharmaz_und_med_chemie/forschen/arbeitsgruppen/agverspohl/werz_weihrauch091110.pdf ↩
- Tausch, L. et al. (2009) J Immunol ↩
- Rahmanian-Schwarz, Afshin, “Untersuchung zur Wirkung von Boswelliasäuren auf die Ãœberlebenszeit von Ratten mit C6-Gliomen”, Inaugural-Dissertation, Gießen, 2006 ↩