Probiotika sind im Verdauungstrakt unverzichtbar und schützen nicht nur den Darm.
Im Laufe der vergangenen Jahrzehnte konnte die Menschheit in Sachen Hygiene wertvolle Erkenntnisse gewinnen. Galt zu einer Zeit, die nicht mehr ganz so junge Mitbürger noch aus eigener Erfahrung kennen, “keimfrei” noch als erstrebenswert, wissen wir doch heute, dass dem so nicht zuzustimmen ist. Mittlerweile ist bekannt, dass Bakterien einerseits eine Entstehung von Gesundheitsbeeinträchtigungen verursachen können, andererseits aber auch unverzichtbar für das Wohlbefinden sind. Daher wird zwischen probiotischen oder gesundheitsfördernden und schädlichen Bakterien unterschieden.
Insgesamt bevölkern rund 100 Billionen Bakterien den menschlichen Verdauungstrakt und bilden dort im Idealfalle ein Gleichgewicht, das überhaupt erst ein gesundes Leben ermöglicht.
Ist die Darmflora beeinträchtigt, können gravierende Erkrankungen entstehen
Leider ist es so, dass dieses Gleichgewicht bei vielen Menschen gestört ist. Unvorteilhafte Ernährungsgewohnheiten, Medikamenteneinnahme aber auch Stressbelastungen spielen hier eine Rolle. Unmittelbar meldet die Darmflora Störungen durch Durchfälle, Verstopfungen oder Völlegefühl an. Wird auf diese Warnzeichen nicht reagiert, können ernsthafte Erkrankungen bis hin zum Krebs die Folge sein.
Häufige Fragen zu Probiotika
Sind probiotische Joghurts empfehlenswert?
Als Reaktion darauf wird seit etlichen Jahren probiotisches Functional-Food (Funktions-Lebensmittel) angeboten. Am häufigsten sind hier probiotische Joghurts in den Kühlregalen zu finden. Diese erfreuen sich einer nicht nachlassenden Bestätigung ihrer – Wirkungslosigkeit. Tatsächlich bleibt die Einnahme von Probiotika durch Menschen mit einer gesunden Darmflora ohne weitere Effekte, allerdings auch ohne Nebenwirkungen.
Davon ausgenommen ist allenfalls eine gewisse Neigung, verstärkt aromatische Gase mit einer leichten Geräuschentwicklung, auch Flatulenz genannt, freizusetzen. Es muss zudem in Betracht gezogen werden, dass die meisten im Handel erhältlichen probiotischen Joghurts etwa eine Million Bakterienkeime pro Gramm enthalten. Das hört sich erstmal viel an.
Um bei Störungen der Darmflora jedoch eine Wirkung zu erzielen, ist die Aufnahme großer, nicht mehr zu empfehlender Mengen im Bereich von über einem Kilogramm dieser Joghurts pro Tag erforderlich. Das liegt unter anderem daran, dass nur ein geringer Teil der Bakterien den Verdauungstrakt lebend erreicht. Auch der Körper unterscheidet in seinen Abwehrreaktionen nicht zwischen gesunden und schädlichen Bakterien. Im Darm selber sind die Bakterien nur sehr kurze Zeit, abhängig vom Stamm für einige Stunden bis zu wenigen Tagen wirksam. Der Verzehr muss also regelmäßig erfolgen.
Probiotische Joghurts selber machen ist effektiver und schont den Geldbeutel
Gleichzeitig aber ist die Wirkung verschiedener probiotischer Bakterien bestätigt. Dass dies für einige nicht gilt liegt einfach daran, dass sie vor Erreichen des Darms absterben. Zu den widerstandsfähigen Mikroorganismen gehören zum Beispiel Lactobacillus acidophilus und Bifidobacterium lactis. Um nun ein probiotisches Produkt mit einer höheren Anzahl an Keimen zu erhalten, kann auf kommerzielle Angebote verzichtet und, das ist auch sehr viel preiswerter, das Joghurt selber hergestellt werden.
Dazu sind unter anderem vom verdienstvollen Wissenschaftsjournalisten Jean Pütz (der mit dem rheinischen Akzent und dem langen Schnurrbart) verschiedene Rezepte erhältlich. Zusammen mit Sauerkraut, anderen gesäuerten Milchprodukten und eingelegter Roter Beete sowie Gurken kommt so schon eine anständige Menge an probiotischen Keimen zustande.
Probiotika bei akuten Beschwerden
Eine weitere Möglichkeit, sich mit probiotischen Bakterien zu versorgen besteht darin, entsprechende Nahrungsergänzungsmittel in Pulver- oder Kapselform zu sich zu nehmen. Hier weist ein Gramm in der Regel eine Milliarde Keime und mehr auf. Diese Verabreichung erfolgt auch im Rahmen medizinisch anerkannter Therapien.
Untersuchungen bestätigen Eindämmung schädlicher Bakterien durch Probiotika
Verschiedene Studien konnten belegen, dass probiotische Bakterien die Entwicklung von krankheitserregenden Organismen behindern. Dahinter steckt unter anderem ein ganz einfacher Mechanismus. In der Darmflora konkurrieren sie um Nahrung und Platz. Nicht genug damit, dass probiotische Bakterien den gefährlichen Vertretern das Essen wegnehmen, sie sondern auch Stoffe ab, die schädliche Bakterien aktiv bekämpfen, also antibiotisch wirken (1 – 3).
Unter anderem diese Eigenschaften führen auch zu einer Stärkung beziehungsweise Wiederherstellung des Immunsystems besonders dann, wenn es nicht mehr Herr über die Massivität der Angriffe werden kann. Dies konnte in einer Untersuchung der kanadischen Universität von Alberta belegt werden (4). Damit verbunden ist freilich eine Reinigung der Darmflora von innen, die auch durch die Unterstützung regelmäßiger, entgiftender Stuhlgänge gewährleistet wird.
Besonders hilfreich ist zudem, dass verschiedene Stämme wie das Bifidobacterium Vitamine entstehen lassen können. Dies betrifft fast den gesammten B-Komplex sowie das Vitamin K.
Diarrhöe – Bei Durchfall sind probiotische Bakterien besonders wichtig
Eine große Gefahr für den Darm stellen Durchfall-Erkrankungen dar. Hier haben in der Regel probiotische Organismen die Oberhand verloren. Das kann eine Folge der Einnahme von Antibiotika sein, aber auch mit verschiedenen Infektionen einhergehen. Verschlimmernd kommt hinzu, dass bei einem Durchfall auch noch die restlichen probiotischen Keime sehr schnell aus dem Darm gespült werden (7 – 9).
In solchen Situationen wird auch in der medizinischen Praxis ein Soforteingreifen durch die Verabreichung probiotischer Bakterien empfohlen, was wiederum durch zahlreiche Studien untermauert ist (10, 11).
Probiotika gegen Reizdarmsyndrom
Eine japanische Untersuchung an der Kurume Universität hat zudem ans Tageslicht gebracht, dass eine Kur mit probiotischen Bakterien das weitverbreitete Reizdarmsyndrom lindern kann (12).
Wirkung gegen verschiedene Infektionskrankheiten bestätigt
Auch bei äußerst unangenehmen Infektionen der Harnblase und der Vagina konnte durch eine regelmäßige Spülung der betroffenen Bereiche mit probiotischen Bakterien eine Besserung erzielt werden, so Wissenschaftler der serbischen Universität von Belgrad (13). Dies gilt auch für andere, Kandidose bezeichneten Infektionskrankheiten, die unter anderem in Folge von Antibiotika-Einnahme entstehen können (14, 15).
Probiotika auch zur äußeren Behandlung bei manchen Hautkrankheiten geeignet
Interessant ist zudem, dass die Behandlung mit probiotischen Bakterien auch bei verschiedenen Hautkrankheiten insbesondere bei Kindern Wirkung zeigt. Dies betrifft Ekzeme, Akne und sogar Schuppenflechte. Finnische Forscher der Universität von Turku konnten hier bereits nach einer zweimonatigen Behandlungsdauer signifikante Resultate vorweisen (16).
Probiotische Bakterien stärken das Immunsystem und wirken so gegen Allergien
Diese Studie zeigte auch eine Wirkung der Keime gegen allergische Reaktionen, besonders dann, wenn die Ekzeme durch eine Kuhmilchallergie ausgelöst wurden (16). Lebensmittelallergien standen ebenso im Mittelpunkt einer niederländischen Untersuchung, bei der durch die Vergabe von Probiotika eine Stabilisierung des Immunsystems über die Zytokine im Darm festgestellt wurde (17).
Mundspülungen mit Probiotika bei Zahnfleischentzündungen sinnvoll
Eine gute Nachricht für Menschen schließlich, die an Zahnfleischentzündungen leiden, halten Forscher der schwedischen Universität von Malmö bereit. Die Entzündungen sowie begleitendes Zahnfleischbluten und die Bildung von Plaque können signifikant zurückgehen, wenn über einen längeren Zeitraum mit einem probiotischen Mittel gegurgelt wird (18).
Gibt es Nebenwirkungen von probiotischen Bakterien?
Die Einnahme von Probiotika kann von leichten Krämpfen und harmloser aber geruchsintensiver Flatulenz begleitet sein. Dies tritt jedoch, wenn überhaupt, nur über einen kurzen Zeitraum am Anfang der Einnahme auf. Um diese Symptome, die eigentlich nur die beginnende Wirkung der Probiotika bestätigen, abzumildern, kann die Dosis reduziert und die Einnahme über den Tag verteilt werden.
Wann werden Probiotika am besten eingenommen?
Die höchste Überlebensrate, bis sie in den Darm gelangen, haben probiotische Bakterien, wenn sie auf nüchternem Magen am Morgen eingenommen werden. Dies gilt auch für den Abend, zwei bis drei Stunden nach der letzten Nahrungsaufnahme. Begleitend zu den Mahlzeiten machen Verdauungsaktivitäten den Keimen etwas zu schaffen. Trotzdem können sie auch dann zugeführt werden, da dies die für den einen oder anderen belästigenden Gasentwicklungen reduziert.
Quellen:
(1) Gorbach, S. L., “Probiotics and gastrointestinal health”, Am J Gastroenterol 2000 Jan;95(1 Suppl), S. 2 – 4.
(2) Guarner, F., et al., “Gut flora in health and disease”, Lancet 2003 Feb 8;361(9356), S. 512 – 19.
(3) Isolauri, E., et al., “Probiotics: a role in the treatment of intestinal infection and inflammation?”, Gut 2002 May;50 Suppl 3:III, S. 54 – 59.
(4) Alberda, C., et al., “Effects of probiotic therapy in critically ill patients: a randomized, double-blind, placebo-controlled trial”, Am J Clin Nutr. 2007 Mar;85(3), S. 816 – 23.
(5) Burns, A. J., et al. “Anti-carcinogenicity of probiotics and prebiotics”, Curr Issues Intest Microbiol 2000 Mar;1(1), S. 13 – 24.
Curr Opin Clin Nutr Metab Care 2001 Nov;4(6):571-9.
(6) Naito, S., et al., “Prevention of recurrence with epirubicin and lactobacillus casei after transurethral resection of bladder cancer” J Urol. 2008 Feb;179(2), S. 485 – 90.
(7) Cremonini F., et al., “Meta-analysis: the effect of probiotic administration on antibiotic-associated diarrhoea”, Aliment Pharmacol Ther 2002 Aug;16(8): S. 1461 – 67.
(8) D’Souza, A. L., et al., “Probiotics in prevention of antibiotic associated diarrhoea: meta-analysis”, BMJ 2002 Jun 8;324(7350), S. 1361 ff.
(9) Huang, J. S., et al., “Efficacy of probiotic use in acute diarrhea in children: a meta-analysis”, Dig Dis Sci 2002 Nov;47 (11), S. 2625 – 34.
(10) Saavedra, J., “Probiotics and infectious diarrhea”, Am J Gastroenterol 2000 Jan;95(1 Suppl):S16-8 2001; 95, S. 16 – 18.
(11) Hickson, M., et al., “Use of probiotic Lactobacillus preparation to prevent diarrhoea associated with antibiotics: randomised double blind placebo controlled trial”, BMJ. 2007 Jul 14;335(7610), S. 80 ff.
(12) Mitsuyama, K., et al., “Gut microflora: a new target for therapeutic approaches in inflammatory bowel disease”, Expert Opin Ther Targets. 2008 Mar;12(3), S. 301 – 12.
(13) Mijac, V.D., et al., “Hydrogen peroxide producing lactobacilli in women with vaginal infections”, Eur J Obstet Gynecol Reprod Biol. 2006 Nov;129(1), S. 69 – 76.
(14) Hatakka, K., et al., “Probiotics Reduce the Prevalence of Oral Candida in the Elderly-a Randomized Controlled Trial”, J. Dent. Res., Feb 2007; 86, S. 125 – 130.
(15) Manzoni, P., et al., “”Oral supplementation with Lactobacillus casei subspecies rhamnosus prevents enteric colonization by Candida species in preterm neonates: a randomized study”, Clin Infect Dis, June 15, 2006; 42(12), S. 1735 – 42.
(16) Isolauri, E., et al., “Probiotics in the management of atopic eczema”, Clin Exp Allergy 2000 Nov;30(11), S. 1604-10.
(17) de Jong, L. S., “Probiotica: een nieuw medicijn tegen voedselallergie?”, Voedingsmiddelentechnologie [0042-7934]:2002 Vol:35 Nr:25, S. 36 – 37.
(18) Krasse, P., et al., “Decreased gum bleeding and reduced gingivitis by the probiotic Lactobacillus reuteri”, Swed Dent J. 2006;30(2), S. 55 – 60.