So kann sich eine Vergrößerung der Prostata bemerkbar machen
Dieser gutartige sowie in der Regel sehr langsam fortschreitende Prozess ist über einen langen Zeitraum hinweg häufig nur mit kaum wahrnehmbaren oder gar keinen Symptomen verbunden. Findet hier überhaupt eine Diagnose statt, entscheiden Arzt und Patient meist, auf einen medizinischen Eingriff zu verzichten und zunächst auf Beobachtung sowie allenfalls sanfte Methoden zu setzen. Als behandlungswürdige Erkrankung gilt die BPH erst dann, wenn sie sich klar durch typische Symptome bemerkbar macht. Hier sind vor allem ein deutlich erhöhter Harndrang – auch Nachts – sowie Probleme beim Wasserlassen zu nennen. Findet dann keine wirksame Behandlung statt, kann die Prostata so lange anwachsen, bis der Blasenauslass komplett verschlossen und ein Wasserlassen nicht mehr möglich ist. Die Folge ist ein tödlich verlaufender Verschluss der Nieren.
Verbreitung von Prostatabeschwerden: ab dem 50sten trifft es die Hälfte, ab dem 80sten fast jeden
Bei etwa der Hälfte aller Männer, die das 50. Lebensjahr überschritten haben, liegt eine vergrößerte Prostata vor. Bei der BPH handelt es sich also um den am weitesten verbreiteten gutartigen Tumor in den männlichen Bevölkerungsteilen. Einen Krankheitswert erreicht die Prostatavergrößerung jedoch nur bei maximal 20 Prozent der Männer unter 60 Jahren. Von den über 80jährigen sind bereits 90 Prozent bei stark erhöhter Symptom-Häufigkeit betroffen.
Diese Vorbeugemaßnahmen für eine gesunde Prostata sind empfohlen
Die Vergrößerung der Prostata ist bei Männern mit deutlichem Übergewicht sowie bei starken Rauchern häufiger und intensiver mit Symptomen verbunden. Eine Empfehlung zur Vorbeugung lautet also, auf eine gesunde Ernährung bei reichlicher Versorgung mit Wasser sowie auf das Körpergewicht zu achten und auf den Tabakkonsum zu verzichten.
Wird ein verstärkter Harndrang beobachtet oder bereitet das Wasserlassen Probleme, sollte natürlich ein Arzt aufgesucht werden. Eine BPH ist gut mit Medikamenten behandelbar, sodass ein operativer Eingriff immer seltener, aktuell in nur anderthalb Prozent der Fälle notwendig wird.
Naturapotheke für die Prostata und bei Harndrang
Einen Effekt zur Vorbeugung sowie zur Unterstützung der ärztlichen Therapie können aber auch verschiedene Samen, Früchte und Kräuter sowie deren Extrakte haben. Sie werden Phytopharmaka oder pflanzliche Arzneimittel genannt. Zumeist handelt es sich dabei um traditionelle Phytopharmaka, deren Wirkung im Wesentlichen durch die überlieferte Anwendung bestätigt ist. Der Sprung zum rationalen Phytopharmaka, also pflanzlichen Arzneimittel mit klinisch bestätigter Wirkung, gelingt hier nur selten. Das hat einen etwas kuriosen Grund.
Bei den Symptomen einer BPH oder vergrößerten Prostata ist es in randomisierten, kontrollierten Doppelblindstudien nämlich so, dass ein ganz außergewöhnlicher Placeboeffekt schon die Regel ist. Der Symptom-Index kann sich bei der Einnahme von Scheinpräparaten durchaus um bis zu 35 Prozent verbessern. Klar, dass dann kaum noch signifikante Unterschiede zum eigentlich wirksamen Präparat festgestellt werden können.
Kürbissamen Extrakt – geschätzt aber wenig erforscht
Eines der bekanntesten Mittel unter den Phytopharmaka für eine gesunde Prostata ist in diesem Zusammenhang Kürbissamen Extrakt. Ihm wird nachgesagt, dass es die Vergrößerung der Prostata zwar nicht umkehren aber die weitere Entwicklung des gutartigen Tumors hemmen kann. Zudem soll das Extrakt die Blase kräftigen und harntreibend wirken. Außerdem sind die antioxidativen Inhaltsstoffe entzündungshemmend.
Die entzündungshemmende Wirkung ist bei Prostatabeschwerden besonders wichtig, da die Verengung der Harnröhre durch die anwachsende Vorsteherdrüse auch dazu führt, dass beim Wasserlassen die Blase nicht vollständig entleert wird. Urinreste – ab 60 Milliliter wird es kritisch – können so zu einer Infektion und Blasenentzündung führen. Auch wenn Kürbissamen Extrakt in der Naturheilkunde einen hervorragenden Ruf genießt und viele Anwender den Rückgang eines häufigen Harndrangs bestätigen, liegen doch zu wenige Studie zu seiner Wirksamkeit vor.
Studien zu Kürbissamen Extrakt und der Prostata
Tatsächlich können im Zusammenhang mit einer Prostatavergrößerung derzeit nur zwei randomisierte und kontrollierte Kürbissamen-Extrakt-Untersuchungen zu Rate gezogen werden. So nahmen an einer am St.-Agnes-Hospital in Bocholt durchgeführten Studie 476 Männer mit Prostatabeschwerden teil. Sie bekamen entweder ein Präparat mit Kürbissamen Extrakt oder ein Placebo. Leider ist hier weder die unterschiedliche Ausprägungen von Symptomen zu Studienbeginn dokumentiert noch, ob und wenn ja welche Medikamente im Einzelfall zusätzlich während des Beobachtungszeitraumes verabreicht wurden.
Die Einnahmephase betrug 12 Monate und führte zu dem Ergebnis, dass zweimal 500 Milligramm Kürbissamen-Extrakt täglich gegenüber dem Placebo zu einer leichten Verbesserung der Symptome führte. Diese fiel jedoch so geringfügig aus, dass sie in der subjektiven Wahrnehmung von den Teilnehmern nicht bemerkt wurde (1). Die zweite, gut dokumentierte Studie wurde unter anderem in Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern der Universität zu Köln am Kurpark Hospital in Bad Nauheim durchgeführt. Wieder wurde eine einjährige Einnahme angesetzt, wobei die 1.431 BPH-Patienten im Alter von 50 bis 80 Jahren in drei Gruppen eingeteilt wurden. Zwei davon folgten dem Standard eines doppelblinden Designs. Dort wurde entweder Kürbissamen Extrakt in einer Tagesdosierung von 500 Milligramm oder ein Placebo verabreicht. In der dritten war die Umsetzung dieses Konzept allerdings nicht möglich, da die teilnehmenden Männer hier täglich fünf Gramm Kürbissamen einzunehmen hatten.
Im Resultat gab es nach 12 Monaten keine relevanten Unterschiede zwischen der Kürbissamen-Extrakt- und der Placebogruppe. Die Zufuhr von ganzen Kürbissamen brachte allerdings einen signifikanten Rückgang der Symptome. Dabei mag jedoch die Erwartungshaltung der Teilnehmer eine Rolle gespielt haben, da sie wussten, was sie zu welchem Zweck einnahmen (2).
Beta-Sitosterin greift in den Testosteron-Stoffwechsel ein
Die Forschungslage zu Kürbissamen Extrakt und einer vergrößerten Prostata beziehungsweise Harndrang ist zum jetzigen Zeitpunkt also noch dürftig. Mehr Anhaltspunkte hat die Wissenschaft hingegen zu dem Wirkstoff, der für den mutmaßlichen Effekt von Kürbissamen verantwortlich gemacht wird. Dabei handelt es sich um beta-Sitosterin, ein pflanzliches Hormon, das eine Ähnlichkeit mit Cholesterin aufweist, diesem aber entgegenwirkt.
Daher wird beta-Sitosterin verschiedenen Margarinen und Milchprodukten zugesetzt, was ihre cholesterinsenkende Wirkung begründet. Darüber hinaus hemmt beta-Sitosterin verschiedene Enzyme, die am Testosteron-Stoffwechsel beteiligt sind. Damit wird unter anderem die Umwandlung von Testosteron in seine aktive Form Dihydrotestosteron (DHT) verhindert. DHT wirkt auf die Prostata wachstumsfördernd. Wird es also über beta-Sitosterin abgeregelt, kann dies das Wachstum der Prostata stoppen sowie Harndrang und Probleme beim Wasserlassen lindern.
Dieser Effekt ist in zahlreichen Studien belegt und hat auch Eingang in die renommierte Cochrane Datenbank gefunden. Dafür wurden vier sehr aussagekräftige randomisierte, placebokontrollierte Doppelblindstudien einer Meta-Analyse unterzogen. Unter den insgesamt 519 teilnehmenden BPH-Patienten wurde eine signifikante Verbesserung des Harnflusses und weiterer Harn-Symptome durch die Gabe von beta-Sitosterin erreicht. Lediglich eine Verkleinerung der Prostata konnte nicht nachgewiesen werden (3).
Brennessel Extrakt mit gut dokumentierter Wirkung
Beta-Sitosterin ist auch zentraler Bestandteil von zwei weiteren pflanzlichen Mitteln, Brennessel Extrakt und Sabal oder Sägezahnpalmen Extrakt, die gerne zur Linderung von Prostatabeschwerden eingesetzt werden. Beide Extrakte werden häufig in Kombination angeboten. Zu Brennessel Extrakt, das übrigens aus der Wurzel der Pflanze gewonnen wird, alleine gibt es seit den 1980er Jahren eine Reihe an Studien, die eine Steigerung des Miktionsvolumens, also der Urinmenge, die bei einer Blasenentleerung ausgeschieden wird, von bis zu knapp 45 Prozent (4) feststellen.
Sehr interessant ist hier eine Langzeitstudie von Wissenschaftlern der Shaheed Beheshti University of Medical Sciences, Iran. In ihr verbesserte die Vergabe von Brennessel Extrakt nach sechs Monaten die Harnfluss-Geschwindigkeit von durchschnittlich knapp elf Milliliter pro Sekunde auf rund 19 Milliliter. Die Restharnmenge, die in der Blase nach dem Wasserlassen verblieb, halbierte sich von 73 auf 36 Milliliter und das Prostatavolumen ging von 40 auf 36 Kubikzentimeter zurück. Auch die Intensität aller Prostata-Symptome insgesamt, der sogenannte International Prostate Symptom Score (IPSS) verringerte sich signifikant. Beim Placebo hingegen wurden keine oder nur geringfügige Verbesserungen festgestellt.
Nun fügten die Wissenschaftler eine weitere 18-monatige Follow-up-Phase an, während der die Teilnehmer die Einnahme des Brennessel Extraktes fort- oder aussetzten. Dort, wo auch weiterhin Brennessel Extrakt zugeführt wurde, verbesserten sich die Werte nochmals. Wurde das Extrakt jedoch nicht mehr weiter eingenommen, stellten sich mit leichten Abweichungen die ungünstigen Ausgangswerte wieder ein (5).
Die Schlussfolgerung hieraus lautet, dass Brennessel Extrakt die Behandlung einer Prostatavergrößerung erfolgreich unterstützen kann, aber bei zunehmend besserer Wirkung dauerhaft eingenommen werden sollte.
Sabal Extrakt (Sägepalme / saw palmetto) wirkt – aber Placebos auch
Die Sägepalme kann bis zu vier Meter hoch werden und bildet dichte Büsche. Sie ist typisch für die südöstlichen Landesteile der USA und wird besonders in Florida kultiviert. Als Phytopharmaka genutzt werden die beta-Sitosterin haltigen Früchte der Sägepalme, die unter dem Namen Sabal oder Sabalfrüchte bekannt sind. Das aus Ihnen gewonnene Sabal Extrakt konkurriert in placebokontrollierten Studien regelmäßig mit den bereits erwähnten, erstaunlichen Wirkungen der Scheinpräparate.
Daher kommen diese Untersuchungen stets zu dem Ergebnis, dass Sabal Extrakt im Vergleich zum Placebo keine bessere Wirkung gegen die Symptome einer Prostatavergrößerung zeigt (6, 7). Signifikante Erfolge durch die Behandlung mit Sabal Extrakt stellen sich nur dann ein, wenn kein Vergleich mit einem Placebo angestellt wird, und haben dann freilich lediglich eine eingeschränkte Aussagekraft (8).
Trotz unklarer Forschungslage: Phytopharmaka in vielen Fällen empfehlenswert
Zusammenfassend kann gesagt werden, dass die Behandlung einer benignen Prostatahyperplasie in die Hände eines Arztes gehört – zumal, wenn bereits Symptome wie Harndrang oder Probleme beim Wasserlassen auftreten. In vielen Fällen, vor allem im Stadium I bis II der Erkrankung also bei leichten bis mittelschweren Beschwerden kann der Einsatz von Phytopharmaka – beta-Sitosterin, Kürbissamen Extrakt, Brennnessel Extrakt, Sabal Extrakt oder eine Kombination – dennoch oft sinnvoll sein, obwohl Studienergebnisse häufig keine oder nur geringe Vorteile gegenüber einem Placebo aufzeigen.
Grund ist die durchweg gute Verträglichkeit der Präparate und das Fehlen von Neben- und Wechselwirkungen. Schlägt die Therapie an, kann die sanfte Behandlung fortgesetzt werden. Ist das in einem verantwortbaren Zeitraum nicht der Fall, kann dank der meist sehr langsamen Entwicklung einer BPH immer noch rechtzeitig eine andere Behandlungsmethode gewählt werden.
Quellen:
(1) Bach, D. Placebokontrollierte Langzeittherapiestudie mit Kürbissamenextrakt bei BPH-bedingten Miktionsbeschwerden, Der Urologe B, October 2000, Volume 40, Issue 5, S. 437 – 43.
(2) Vahlensieck W., et al., Effects of Pumpkin Seed in Men with Lower Urinary Tract Symptoms due to Benign Prostatic Hyperplasia in the One-Year, Randomized, Placebo-Controlled GRANU Study, Urologia Internationalis, 2015, Vol.94, No. 3, Epub published ahead of print.
(3) Wilt, T., et al., Beta-sitosterols for benign prostatic hyperplasia, Cochrane Database Syst Rev. 2000;(2):CD001043, Epub published ahead of print.
(4) Vontobel, H. P., et al., Ergebnisse einer Doppelblindstudie über die Wirksamkeit von ERU-Kapseln in der konservativen Behandlung der benignen Prostatahyperplasie, Urologe [A] 1985, 24, S. 49 – 51.
(5) Safarinejad, M. R., Urtica dioica for treatment of benign prostatic hyperplasia: a prospective, randomized, double-blind, placebo-controlled, crossover study, J Herb Pharmacother. 2005;5(4), S. 1 – 11.
(6) MacDonald, R., et al., Serenoa repens monotherapy for benign prostatic hyperplasia (BPH): an updated Cochrane systematic review, BJU Int. 2012 Jun;109(12), S. 1756 – 61.
(7) Barry, M. J., et al., Effect of increasing doses of saw palmetto extract on lower urinary tract symptoms: a randomized trial, JAMA. 2011 Sep 28;306(12), S. 1344 – 51.
(8) Giulianelli, R. et al., Multicentre study on the efficacy and tolerability of an extract of Serenoa repens in patients with chronic benign prostate conditions associated with inflammation, Arch Ital Urol Androl. 2012 Jun;84(2), S. 94 – 98.