Folsäure ist auch als Vitamin B9 oder Vitamin B11 bekannt und besitzt die typischen Eigenschaften der Vitamine des B-Komplexes: so ist es beispielsweise wasserlöslich, licht- und hitzeempfindlich. Der chemische Name ist Pteroylmonoglutaminsäure, es ist in reiner Form ein gelblich-oranges, kristallines Pulver. “Folat” ist der Oberbegriff für verschiedene chemische Folatverbindungen, von denen Folsäure die häufigste und in Nahrungsergänzungen verwendete chemische Form ist. In diesem Sinne verwenden wir “Folsäure” und “Folat” hier synonym.
Laut Nationaler Verzehrsstudie II aus 2008 weisen rund 80% der deutschen Bevölkerung einen Folsäuremangel auf.
Der Körper kann nur kleine Mengen (ca. 5 bis 10 mg) Folat speichern. Diese Menge reicht nur für wenige Wochen. Daher ist der Körper auf eine relativ konstante Zufuhr über die Nahrung oder Nahrungsergänzungsmittel angewiesen. Die DGE (Deutsche Gesellschaft für Ernährung e.V.) empfiehlt in einer Pressmeldung vom Juni 2013:1
Unabhängig von der Ernährung sollten Frauen, die schwanger werden wollen oder könnten, sowie Schwangere im ersten Drittel der Schwangerschaft ein Präparat mit 400 µg Folsäure einnehmen. Folsäure ist die synthetisch hergestellte Form des Vitamins und hilft, “Neuralrohrdefekten” das sind Fehlbildungen des Gehirns und Rückenmarks beim Kind, vorzubeugen.
Die wichtigsten Funktionen von Folsäure sind die Zellteilung, die Reproduktion des Erbgutes (DNS) und die Ermöglichung des Stoffwechsels von Aminosäuren, einschließlich des Abbaus von schädlichem Homocystein.
In seiner Eigenschaft als zentrales Vitamin für Zellteilung, insbesondere des zentralen Nervensystems, und Reproduktion der DNS ist es wichtig für die Entwicklung des Fötus bereits von den allerersten Tagen nach der Befruchtung der Eizelle an.
Bekannt ist Folsäure insbesondere Frauen, die über eine Schwangerschaft nachdenken. Dabei herrscht der weitverbreitete Irrglaube, dass man mit der Einnahme bis zum Beginn der Schwangerschaft warten könne.
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Folsäure in Lebensmitteln
Die meisten Lebensmittel enthalten nur sehr geringe Mengen an Folat (Vitamin B9). Die durchschnittliche tatsächliche Einnahme von Folsäure über Lebensmittel wird von der DGE mit 200 µg täglich angegeben. Das sind 100 µg unterhalb des empfohlenen Wertes für Erwachsene und nur 40% des empfohlenen Wertes für werdende Mütter.
Vor allem Gemüse enthält Folat, aber auch Leber und Eier enthalten einen relativ großen Anteil. Die höchsten Gehalte weisen natürlich vorkommende Hefen sowie Rinderleber und Weizenkeime auf. Außerdem können Spinat, Tomaten oder Salat als Folsäurequellen herangezogen werden. Kocht man die Speisen, verlieren sie durch das Wasser und die Hitze einen großen Teil von Folsäure und anderen B-Vitaminen.
Tipp: Bei der Nahrungszubereitung sollte Gemüse nicht zu lange gewässert werden, da sonst bereits ein großer Teil der Folsäure ausgetragen wird.
Folsäuremangel: Verbreitung und Gründe
Folsäuremangel ist eine der häufigsten Vitaminmangelerscheinungen2 und tritt vor allem aufgrund einseitiger Ernährung oder von erhöhtem Alkoholkonsum auf.
Folsäure in Lebensmitteln
Nahrungsmittel
Menge
µg Folsäure
Weizenkeime
100g
270
rote Bohnen
100g
250
Weizenkleie
100g
160
Spinat
100g
134
Kalkbsleber
100g
108
Brokkoli
100g
105
Hühnerei
1
100
Sojabohnen
100g
100
Bierhefe
10g
92
Rote Beete
100g
75
Quelle: Burgersteins Handbuch Nährstoffe (12. Aufl., 2012), S. 179.
Folsäuremangel laut NVS II (2008)
Von der Bundesforschungsanstalt für Ernährung und Lebensmittel wurde 2008 die zweite Nationale Verzehrsstudie durchgeführt. Dabei wurden die Ernährungsgewohnheiten von über 15.000 repräsentativen Deutschen erhoben. In die Messung der Ernährung gehen sowohl die normale Ernährung als auch Nahrungsergänzungsmittel ein.
Erschreckend: obwohl Folsäure eines der beliebtesten Nahrungsergänzungsmittel vor allem bei Schwangeren ist, weisen bis über 80% der Schwangeren einen Folsäuremangel auf.
Auch bei allen anderen Bevölkerungsgruppen, egal ob jung oder alt, Mann oder Frau, ist der Folsäuremangel ähnlich hoch und verbreitet.
Ursachen von Folsäuremangel
Nahrungsmittel und -zubereitung
Folat ist zudem sehr anfällig für Oxidation. Oxidation führt während der Verarbeitung und Lagerung dazu, dass der Gehalt an dem Vitamin abnimmt. Gekochtes Gemüse kann so schnell nur noch 10% des ursprünglichen Gehaltes an dem wasserlöslichen Vitamin haben.
Wichtig ist für den Erhalt der Vitamine in den Nahrungsmitteln, auf eine möglichst schonende Verarbeitung und Lagerung der Produkte zu achten, da die Hitze beim Kochen oder ein zu langer Kontakt mit Wasser den Folsäuregehalt erheblich senken können. Rohkost ist unter anderem deshalb so gesund.
Medikamente binden Vitamine
Medikamente sind ein weiterer Grund für eingeschränkten Folsäurestatus, insbesondere die häufig genommenen Schmerzmittel wie Acetylsalicylsäure (z.B. Aspirin® oder ASS akut) und die Anti-Baby-Pille, aber auch Anitbiotika hemmen die Verfügbarkeit von Folsäure im Körper.
Vitamin C Mangel und Vitamin B12 Mangel führen zu erhöhtem Verbrauch an Folsäure.
Folsäuremangel in Deutschland
Bevölkerungsgruppe
% der Personen unterhalb empfohlener Zufuhr (Tag)
Mehrbedarf der am schlechtesten versorgten 5% der Bevölkerung
Schwangere (19-24 Jahre)
79,5 %
477 µg
Schwangere (25 - 34 Jahre)
80,6 %
467 µg
Schwangere (35 - 50 Jahre)
87,4 %
466 µg
Frau (51 - 64 Jahre)
86,8 %
258 µg
Mann (51 - 64 Jahre)
80,5 %
247 µg
Frau (65 - 80 Jahre)
90,8 %
272 µg
Mann (65 - 80 Jahre)
89,5 %
249 µg
Quelle: Ergebnisse der Nationalen Verzehrsstudie II (2008), die vom der Bundesforschungsanstalt für Ernährung und Lebensmittel durchgeführt worden ist. Die Werte für Stillende sind denen der Schwangeren sehr ähnlich.
Vitamine während der Schwangerschaft
Folsäure ist wichtig – andere Vitamine und Omega-3 ebenso!
Deutsche Ärzte fordern eine allgemeine Folsäure Nahrungsergänzung.3Eine Unterversorgung von Folsäure während der ersten Wochen der Schwangerschaft erhöht das Risiko von Neuralrohrdefekten, also schwerwiegende Schäden des Rückenmarks des Fötus (Spina bifida). Neuralrohrdefekte sind irreversible Schäden und führen zu schweren Behinderungen.4
Beginnt die Frau mit der Einnahme von Folsäure bei festgestellter Schwangerschaft, so ist das zu spät: das Neuralrohr wird bereits in Woche 2 nach der Befruchtung der Eizelle gebildet. Dann weiss die Frau aber noch überhaupt nichts von der Schwangerschaft. Daher sollte Folsäure von jeder Frau regelmäßig eingenommen werden, bei der überhaupt nur die Möglichkeit einer Schwangerschaft besteht – und nicht erst bei festgestellter Schwangerschaft (also meist Woche 6 bis 9).
Auch wird ein Zusammenhang zwischen der mangelnden Versorgung des Embryos mit Folat und der Entstehung von angeborenen Herzfehlern bzw. Frühgeburten vermutet.
Funktionen der Folsäure: Energiegewinnung, Homocysteinspiegel, Zellteilung
Folsäure spielt eine große Rolle für die Nahrungsverwertung und Energiegewinnung. Vor allem der Eiweiß- und der Fettstoffwechsel können nur bei mittels Folsäure störungsfrei ablaufen.
Des Weiteren ist Vitamin B9 gemeinsam mit Vitamin B6 und Vitamin B12 am Abbau der für das Herz schädlichen Aminosäure Homocysteinbeteiligt. Homocystein ist ein normales Abbauprodukt des Stoffwechsels. Ein hoher Homocysteinspiegel wird für Ablagerungen auf Arterienwänden und Nerven verantwortlich gemacht. Bei Folsäuremangel kann nicht genügend Homocystein abgebaut werden.
Die Einnahme von Folsäure kann daher das Risiko von Herz-Kreislauf-Erkrankungen senken. Die Gefahr, einen Herzinfarkt oder einen Schlaganfall zu erleiden, sinkt bei einer ausreichenden Aufnahme von Folsäure erheblich gegenüber einer Mangelversorgung.
Eine weitere Aufgabe ist die Synthese von Struktur- und Funktionsproteinen, welche das Zellgerüst aufrechterhalten bzw. andere Stoffe transportieren oder umwandeln.
Auch den Aufbau von Schleimhautzellen und Blutkörperchen unterstützt Folsäure intensiv, was sich letztlich auch positiv auf das Immunsystem auswirkt. Da Vitamin B9 außerdem Purinbasen synthetisiert, welche für die DNA-Replikation von hoher Wichtigkeit sind, hat es zudem Einfluss auf den Aufbau von DNA und RNA.
Aus diesem Grund spielt Folat auch bei der Entwicklung von Embryos eine große Rolle, da in dieser Zeit sehr viele Zellteilungen ablaufen. Besonders für die Entwicklung des Zentralnervensystems ist Vitamin B9 hier unerlässlich. Überall, wo sich Zellen häufig teilen und sich anschließend spezialisieren und entwickeln müssen, wird Folsäure benötigt, damit es nicht zu Komplikationen kommt.
Darmwand-, Blut- und Lungenzellen verzeichnen allesamt einen schnellen Zerfall, weshalb sie besonders viel Folsäure benötigen, um sich immer wieder erneuern zu können. Ein gesundes Zellwachstum zu ermöglichen, ist daher ebenfalls eine wichtige Funktion der Folsäure.
Mangelerscheinungen bei Folsäuremangel
Anämie
Hält Folsäuremangel über einen längeren Zeitraum an, werden nicht mehr genügend Blutzellen gebildet, sodass eine Anämie entsteht, welche zu Symptomen wie blasser Hautfärbung, Abgeschlagenheit, Müdigkeit und Konzentrationsstörungen führt.
Auch steigt in solch einem Fall das Infektionsrisiko, da die körpereigene Abwehr geschwächt ist. Weiterhin können sich depressive Verstimmungen und Reizbarkeit einstellen.
Herz-Kreislauf
Da Folsäure normalerweise für die Eliminierung gefäßschädigender Stoffe (Homocystein) mitverantwortlich ist, neigen Arterien bei einem Mangel zu Ablagerungen und Verkalkungen, was wiederum Arteriosklerose und Herzinfarkte bzw. Schlaganfälle nach sich ziehen kann.
Auch Demenz wird in Verbindung mit niedrigem Folsäurestatus gebracht.
Immunsystem – Haut – Schleimhäute
Schleimhäute werden in Folge eines Vitamin-B9-Mangels rissig und Wunden heilen schlechter ab, da Folsäure für das Zellwachstum und die Zellerneuerung notwendig ist. Auch können Verdauungsprobleme wie Durchfall oder Verstopfungen auftreten.
Quellen:
Deutsche Gesellschaft für Ernährung e.V., Pressemitteilung 18.6.2013 “DGE veröffentlicht neue Referenzwerte für Folat” ↩
Burgersteins Handbuch Mikronährstoffe, 12. Aufl. 2012, S. 180 ↩
Herrmann, W., et al., The mandatory fortification of staple foods with folic acid: A current controversy in Germany, Deutsches Ärzteblatt International, Volume 108, Issue 15, Pages 249 to 254. ↩
Blencowe et al., Folic Acid to reduce nenatal mortality from neutral tube disorders, Int J Epidemology 2010;39; 110-121 ↩