Melatonin is ein Hormon, das besonders für einen gesunden Schlaf verantwortlich ist. Es ist nicht als Nahrungsergänzung erhältlich, sondern in seiner reinen Form nur als Arzneimittel. Die körpereigene Produktion von Melatonin lässt sich jedoch in gewissem Maße beeinflussen.
Viele Menschen nehmen es als selbstverständlich hin, am Abend müde zu werden und am folgenden Morgen wieder aufzuwachen. Hinter dem, was so normal klingt, stecken Millionen und Abermillionen von Mechanismen, die unter dem Namen 24-Stunden-Rhythmus zusammen gefasst werden. Da wäre zunächst einmal die innere Uhr des Menschen, also die komplexe Steuerung unserer Leistungskurve, des Blutdrucks, des Aufmerksamkeits– und Sehvermögens, der Konzentrationsfähigkeit, des inneren Antriebs und so weiter. Erstaunlicherweise ist diese nicht auf einen 24-Stunden-Tag geeicht, sondern zählt eine Stunde mehr nämlich 25 Stunden. Werden Menschen also, ohne Tageslicht, eine Uhr oder andere Orientierungshilfen zur Verfügung zu haben, isoliert, sind sie nach 25 Tagen der Auffassung, dass nur 24 vergangen sind.
Melatonin hilft beim Synchronisieren unseres Tagesrhythmus
Dies legt nahe, dass unsere innere Uhr mit den Bedingungen der äußeren Umwelt synchronisiert werden muss. Das betrifft neben dem Schlaf-Wach-Zyklus noch zahlreiche weitere Vorgänge, die tageszeitabhängig sind. Hier kommt es zu einem Zusammenspiel von äußeren und inneren Faktoren. Lichtintensität, Aktivitätsangebote oder Temperatur sind externe Signale. Intern ist ganz wesentlich das Peptidhormon Melatonin an unserem 24-Stunden-Rhythmus beteiligt.
Das Fehlen von Lichteinfall lässt Melatonin-Produktion steigen
Es wird hauptsächlich in der Zirbeldrüse aber auch jedoch nachrangig im Darm und auf der Netzhaut gebildet. Ein entscheidender Reglungsmechanismus für die Produktion von Melatonin ist das Licht. Bei einer hohen Intensität wird kaum Melatonin dafür umso mehr Dopamin freigesetzt.
Wird es dunkler, so ist die Stunde des Melatonins gekommen, und wir werden schläfrig. Wird dieser Rhythmus gestört, leidet auch unser Schlafverhalten. Dies kann eintreten bei Schichtarbeitern oder Menschen die sich hauptsächlich auch tagsüber bei gedämpftem Licht drinnen aufhalten.
Die bekannteste Melatonin-bezogene Störung findet aber beim Wechsel zwischen weitauseinanderliegenden Zeitzonen, dem berühmten Jetlag statt. Diese Beeinträchtigung kann mehrere Wochen anhalten und neben Schlafstörungen und Tagesmüdigkeit auch körperliche Symptome wie Unwohlsein beinhalten.
Von außen zugeführtes Melatonin ist zu einem guten Teil bio-verfügbar
Inzwischen haben Studien festgestellt, dass die körpereigene Produktion von Melatonin, die personenabhängig etwa um 03:00 Uhr Nachts ihren Spitzenwert erreicht, durch eine Aufnahme von Außen ergänzt werden kann. Dabei kommt es schon ein bis zwei Stunden nach der Einnahme zu deutlich höheren Serum-Konzentrationen, die das natürliche Maximum von etwa 75 Pikogramm pro Milliliter um ein 10.000faches übersteigen können.
Allerdings wird es im Vergleich zu Melatonin, das in der Zirbeldrüse entsteht, etwa doppelt so schnell wieder abgebaut. Die Halbwertzeit liegt hier bei höchstens einer dreiviertel Stunde.
Medikamente, Genussdrogen, Krankheiten und Alter lassen Melatonin zurückgehen
Darüber hinaus haben auch andere Einflussfaktoren einen Einfluss auf den Melatonin-Spiegel. Die wesentlichen davon sind nichtsteroidale Antiphlogistika (NSAID), zu denen auch Aspirin gehört, verschiedene blutdrucksenkende Mittel und die allgegenwärtigen Genussdrogen Nikotin, Koffein und Alkohol. Weiterhin kann es durch insbesondere neuropsychiatrische Erkrankungen zu Veränderungen kommen. In der Tat wird auch festgestellt, dass die Produktion von Melatonin zur Nacht mit steigendem Alter nachlässt, wobei hier noch kein ursächlicher Zusammenhang aufgedeckt werden konnte.
Wirkungen von Melatonin
Viele Studien stellen Melatonin-Wirkung auf das Schlafverhalten heraus. Melatonin kann einen gesunden Schlaf fördern. Es sollte aber nicht direkt eingesetzt werden, um ein Schlafmittel zu ersetzen. Vielmehr wirkt es indirekt mit einer den Schlaf normalisierenden Verzögerung von einigen Tagen und deutlich, teils mehrere Wochen über den Einnahmezeitraum hinaus (1).
Alzheimer
Dies wurde von zahlreichen Studien bestätigt. Wichtig kann diese Erkenntnis gerade auch für Alzheimer-Patienten werden. Ein Merkmal der Erkrankung ist nämlich, das das Gefühl für den Tag-Nacht-Zyklus verloren geht. Hier konnten in einer argentinischen Studie Behandlungsmöglichkeiten mit Melatonin dargelegt werden (2).
Verzögertes Schlafphasensyndrom
In einer Untersuchung der Universität von Toronto führte die Vergabe von Melatonin an Patienten mit einem verzögerten Schlafphasensyndrom zu keiner verlängerten Schlafphase. Die Schlaflatenz wurde jedoch verkürzt, was einen besseren Schlaf zur Folge hatte (3).
Kindliche Schlaflosigkeit
Bei an einer bestimmten Form der Schlaflosigkeit leidenden Kindern konnte eine niederländische Studie aufzeigen, dass die Einnahme von Melatonin nicht nur den Schlaf-Wach-Rhythmus verbesserte, sondern auch zu einer positiveren Allgemeingesundheit führte (4).
Minderung negativer Eigenschaften von Schlafmitteln
In Verbindung mit einem regulären Schlafmittel eingenommen, gibt es Hinweise darauf, dass die negativen Folgeerscheinungen dieses Mittels wie Schläfrigkeit am nächsten Morgen abgemildert werden können, so eine italienische Studie (5).
Besserer Schlaf bei Asthma
Nach einer brasilianischen Studie der Federal do Ceara Universität schließlich wurde durch die Vergabe von Melatonin auch der Schlaf bei Asthmatikern verbessert (6).
Beim Jetlag Melatonin empfohlen
In Bezug auf die Eigenschaften von Melatonin auf den Jetlag beobachteten neuseeländische Wissenschaftler, dass zehn Tage nach der Ankunft in einer anderen Zeitzone die Einnahme des Hormons zu zahlreichen Vorteilen führte. Im Vergleich zu den Teilnehmern einer Placebo-Gruppe wiesen die Personen, die mit Melatonin versorgt wurden, ein besseres Schlafmuster, mehr Energie und eine verminderte Tagesmüdigkeit auf. Allgemein waren die Jetlag-Symptome stärker bei der nach Westen führenden Rückkehr als bei der Anreise in Richtung Osten (7).
Blutdrucksenkende Wirkung von Melatonin möglich
In verschiedenen Studien ist zudem ein Einfluss von Melatonin auf den Blutdruck entdeckt worden. Eine Untersuchung des niederländischen Institutes für Gehirnforschung ergab, dass die einmalige Vergabe von Melatonin keine Wirkung auf den Blutdruck zeigt im Gegensatz zur wiederholten täglichen Vergabe über drei Wochen.
Hierbei kam heraus, dass eine Tagesdosis von 2,5 Milligramm Melatonin, eingenommen eine Stunde vor dem Schlaf, den systolischen Blutdruck um sechs mmHg und den diastolischen um vier mmHg bei Patienten mit einer unbehandelten essentiellen Hypertonie senken kann. Zudem erhöhte sich die Schwankung der Werte im Tag-Nacht-Rhythmus um 15 beziehungsweise 25 Prozent. In der Folge stieg auch die Qualität des Schlafs an (8).
Herzstörungen und Ischämie nach Hauptschlagaderoperationen können durch Melatonin vermindert werden
Dänische Wissenschaftler der Universität von Kopenhagen fanden heraus, dass Melatonin Herzstörungen und Marker für Durchblutungsstörungen im Gewebe (Ischämie) nach Eingriffen am Aneurysma der Hauptschlagader reduziert. Dazu wurden in der operativen Nachsorge 50 Milligramm Melanin per Infusion sowie 10 Milligramm oral vergeben. Die Patienten einer Kontrollgruppe bekamen ein Placebo. In der Melatonin-Gruppe kam es nur in vier Prozent der Fälle zu Herzstörungen. Bei Einnahme des Placebos waren dies 29 Prozent. Auch Ischämie–Marker waren in der Melanin-Gruppe nur bei 19 Prozent der Patienten im erhöhten Maße vorhanden. Unter den Teilnehmern, die das Placebo zu sich nahmen, waren es 50 Prozent (9).
Abnehmen durch Melatonin?
Im Tierversuch konnte ein positiver Einfluss auf Körpergewicht und Blutwerte durch Melatonin festgestellt werden. Dies ist bisher aber nur im Tierversuch nachgewiesen worden. In einer Tierstudie, die an der Katholischen Universität von Argentinien durchgeführt wurde, konnte festgestellt werden, dass Ratten, die mit sehr fetthaltiger Nahrung gefüttert wurden, nach einer neunwöchigen Futterbeigabe von Melatonin ein deutlich geringeres Gewicht aufwiesen, als Tiere, die das Hormon nicht bekamen.
Darüber hinaus führte Melatonin zu verringerten Werten an zirkulierenden Insulin-, Glucose- und Triglycerid-Anteilen im Blut (10).
Am Menschen ist Melatonin als Diätprodukt noch nicht untersucht worden. Daher ist auch von einem Selbstversuch dringend abzuraten.
Melatonin kann bei Migräne und Kopfschmerzen helfen
Eine gute Nachricht halten Melatonin-Forscher auch für Menschen bereit, die von Migräne geplagt sind. Zu diesem Thema konnte eine brasilianische Studie vom Hospital Israelita Albert Einstein in Sao Paulo Interessantes herausfinden. Insgesamt 34 Migräne-Patienten bekamen hier nach einer einmonatigen Einstiegsperiode über drei Monate täglich drei Milligramm Melatonin etwa eine halbe Stunde vor dem Einschlafen.
Am Ende des Einnahmezeitraums traten bei 78,1 Prozent der Probanden die Kopfschmerzen zu mindestens 50 Prozent weniger auf als in der Einstiegsperiode. Erstaunliche 25 Prozent hatten gar keine Kopfschmerzen mehr und bei keinem Patienten stiegen die Kopfschmerzen im Vergabezeitraum an (11).
Wechselwirkungen und Nebenwirkungen
Gegenanzeigen oder nennenswerte Nebenwirkungen sind nicht bekannt. Als Hormon ist die Einnahme jedoch grundsätzlich mit dem Arzt oder Apotheker abzusprechen.
Auch können bei der Einnahme von Melatonin einige Wechselwirkungen auftreten. Hiervon ist eine ganze Bandbreite von Medikamenten angefangen bei blutverdünnenden und –zuckersenkenden Mitteln über Antidepressiva bis zu Betablockern und Schlafmitteln betroffen. Für den Fall also, dass Medikamente regelmäßig eingenommen werden, sollte vor der Zufuhr von Melatonin immer ein Arzt konsultiert werden.
Quellen und Studien:
(1)Kunz, D., “Melatonin taktet die innere Uhr neu”, Neurologie & Psychiatrie. 2012;Vol. 14, Nr. 1, S. 38 -41.
(2)Cardinali, D. P., et al., “Clinical aspects of melatonin intervention in Alzheimer’s disease progression”, Current Neuropharmacology”, 2010;8(3), S. 218 – 227.
(3)Kayumov. L., et al., “A randomized, double-blind, placebo-controlled crossover study of the effect of exogenous melatonin on delayed sleep phase syndrome”, Psychosom Med. 2001 Jan-Feb;63(1), S. 40 – 48.
(4)Smits, M. G., et al., “Melatonin improves health status and sleep in children with idiopathic chronic sleep-onset insomnia: a randomized placebo-controlled trial”, J Am Acad Child Adolesc Psychiatry. 2003 Nov;42(11), S. 1286 – 93.
(5)Ferini-Strambi, L., et al., “Effect of melatonin on sleep microstructure: preliminary results in healthy subjects”, Sleep. 1993 Dec;16(8), S. 744 – 47.
(6)Campos, F. L., et al., “Melatonin improves sleep in asthma: a randomized, double-blind, placebo-controlled study”, Am J Respir Crit Care Med. 2004 Nov 1;170(9), S. 947 – 51.
(7)Petrie, K., et al., “Effect of melatonin on jet lag after long haul flights”, BMJ. 1989 Mar 18;298(6675), S. 705 – 07.
(8)Scheer, F. A., “Daily nighttime melatonin reduces blood pressure in male patients with essential hypertension”, Hypertension. 2004 Feb;43(2), S. 192 – 97.
(9)Gögenur I, et al., “Melatonin reduces cardiac morbidity and markers of myocardial ischemia after elective abdominal aortic aneurism repair: a randomized, placebo controlled, clinical trial”, J Pineal Res. 2014 Apr 8., Epub published ahead of print.
(10)Cardinali, D. P., “Melatonin effect on plasma adiponectin, leptin,
insulin, glucose, triglycerides and cholesterol in normal and high-fat fed rats”, Journal of Pineal Research. 2010; 49, S. 342 – 348.
(11)Peres, M. F., et al., “Melatonin, 3 mg, is effective for migraine prevention”, Neurology. 2004 Aug 24;63(4):757, Epub published ahead of print.