Werdende Mütter sollten nicht nur zusätzlich Folsäure und Eisen während der Schwangerschaft zu sich nehmen, sondern eher alle Vitamine. Sowohl in Entwicklungsländern als auch Industrieländern wie Deutschland oder der Schweiz kann die Einnahme von Multivitaminen während der Schwangerschaft sinnvoller sein als eine Folsäure-Eisenergänzung.
Eine Folsäure- sowie eine Eisenergänzung gehört zu den allgemein als sinnvoll angesehenen Maßnahmen während einer Schwangerschaft. Besser ist es wohl noch, bereits einige Wochen vor der Empfängnis mit der Einnahme zu beginnen. Zwar ist die Ernährungssituation in Entwicklungsländern besonders von einer Mangelversorgung an Mikronährstoffen gekennzeichnet. Aber auch in Industrienationen wie Deutschland ist Vitaminmangel weit verbreitet.
Gemäß der Nationalen Verzehrsstudie, einer repräsentativen Untersuchung der deutschen Essensgewohnheiten, nehmen 90% der Menschen zu wenig Folsäure auf, 50% zu wenig Vitamin E, 35% zu wenig Vitamin C, 75% der Frauen zu wenig Eisen, und und und.
Studie misst Gesundheit aufgrund von Multivitaminen während der Schwangerschaft
Daher fand ab 2007 eine groß angelegte, kontrollierte, randomisierte und doppel-blinde Studie in ländlichen, besonders wenig entwickelten Gebieten von Bangladesch statt. Sie sollte Aufschluss darüber geben, ob hier die Einnahme eines Multivitamin-Präparates statt einer Folsäure-Eisenergänzung nicht sinnvoller ist.
Federführend daran beteiligt waren Forscher der Johns Hopkins Bloomberg School of Public Health in Baltimore, Maryland, USA. Die Untersuchung bezog rund 45.000 schwangere Frauen im Zielgebiet ein. Davon nahmen 22.405 Teilnehmerinnen täglich ein Multivitamin-Präparat ein und 22.162 eine Eisen-Folsäure-Ergänzung. Während ihrer gesamten Schwangerschaft wurden die Frauen begleitet. Im Falle einer Lebendgeburt gab es zudem einen, drei sowie sechs Monate nach der Entbindung Follow-Up-Untersuchungen an Mutter und Kind. Dies traf je Gruppe auf etwas über 14.000 Fälle zu. Die restlichen Schwangerschaften wurden durch Fehlgeburt, Abtreibung oder Totgeburt beendet.
Hohe Kindersterblichkeit trotz Nahrungsergänzungen
Als primäres Untersuchungsziel wurde die Feststellung der Gesamtkindersterblichkeit bis 180 Tage oder sechs Monate nach der Geburt festgelegt. Darüber hinaus sollten Unterschiede bezüglich der Anzahl an Todgeburten, Frühgeburten vor der 38ten Schwangerschaftswoche sowie Entbindungen mit einem niedrigen Geburtsgewicht von unter 2.500 Gramm ermittelt werden.
Der Blick auf die Kindersterblichkeit bis sechs Monate nach der Geburt ergab keine signifikanten Unterschiede zwischen den beiden Gruppen. Mit Multivitaminen kam es zu 741 Todesfällen, was einer Rate von 51,6 pro 1000 Lebendgeburten entspricht. Unter den Kindern, deren Mütter während der Schwangerschaft nur mit Eisen und Folsäure versorgt wurden, waren 764 Todesfälle zu beklagen. Dies entspricht einem Verhältnis von 54,0 auf 1000 Lebendgeburten.
Zum Vergleich dazu: In Deutschland liegt die Kindersterblichkeit in den ersten fünf Lebensjahren bei 3,8 pro 1.000 Lebendgeburten. Insbesondere hier wird ersichtlich, die die Situation in Bangladesch nicht mit derjenigen zum Beispiel in Deutschland vergleichbar ist.
Weniger Früh- und Todgeburten sowie höheres Geburtsgewicht mit Multivitaminen
Allerdings sank bei den werdenden Müttern, die Multivitamine zu sich nahmen, die Wahrscheinlichkeit einer Frühgeburt um 15 Prozent, eines zu geringen Geburtsgewichtes um 12 Prozent sowie einer Todgeburt um elf Prozent.
Zudem kamen die Babys in der Multivitamin-Gruppe generell durchschnittlich zwei bis drei Tage später zur Welt als in der Eisen-Folsäure-Gruppe. Außerdem lag ihr Geburtsgewicht um 55 Gramm im Mittel höher.
Aufklärungsarbeit notwendig
Abschließend geben die Autoren der Studie zu bedenken, dass Multivitamin-Präparate nur geringfügig teurer sind als solche, die nur Eisen und Folsäure enthalten.
Für eine Familie, deren Haushaltseinkommen jedoch lediglich bei wenigen Euros pro Tag liegt, könne dieser Unterschied entscheidend sein. Daher komme es darauf an, diesen Menschen aufzuzeigen, dass die Vorteile von Multivitaminen für die Gesundheit von Müttern und ihren Kindern die etwas höhere Investition rechtfertigen.
Quelle: West, K. P. Jr., et al., Effect of maternal multiple micronutrient vs iron-folic acid supplementation on infant mortality and adverse birth outcomes in rural Bangladesh: the JiVitA-3 randomized trial, JAMA. 2014 Dec 24-31;312(24), S. 2649 – 58