Entwarnung aus Norwegen: Fisch kann und sollte auch während der Schwangerschaft in moderaten Mengen genossen werden
Quecksilber ist eine hochgiftige Substanz. Das gilt neben Quecksilber-Dämpfen vor allem für organische Quecksilberverbindungen (Methylquecksilber, MeHg), die oft mit dem Verzehr bestimmter Fischarten aufgenommen werden. Häufig wird daher gerade Schwangeren davon abgeraten, Fisch zu sich zu nehmen. Trotz der Risiken, die mit Quecksilber verbunden sind, kommt eine aktuelle Studie aus Norwegen zumindest bei einem moderaten Konsum allerdings zu einem gegenteiligen Ergebnis.
Methylquecksilber ist als Nervengift bekannt – Gefahr für die Ernährung?
Die Untersuchung von Wissenschaftlern des staatlichen Norwegian Institute of Public Health (NIPH, Norwegisches Institut für Öffentliche Gesundheit) entstand in Zusammenarbeit mit Forschern der schwedischen Universität von Lund. Grundannahme war die bekannte Tatsache, dass Methylquecksilber ein starkes Neurotoxin also Nervengift ist, dass schon in minimalen Konzentrationen die vorgeburtliche Entwicklung des Nervensystems beeinflussen kann.
Damit ist ein ungünstiger Einfluss auf die Frühentwicklung des Kindes möglich, der zu späteren Beeinträchtigungen der Sprach- und Kommunikationsfähigkeiten führen könnte. Ob und inwieweit jedoch tatsächlich Schäden durch Methylquecksilber-Belastungen der Mutter während der Schwangerschaft auftreten, ist bezogen auf Norwegen nicht erforscht.
Ist die Empfehlung von 350 bis 400 Gramm Fisch pro Woche vertretbar?
Zur Klärung dieses Zusammenhangs wählten die Wissenschaftler daher eine Stichprobe von 38.581 werdenden Müttern, die an der norwegischen Mutter-Kind-Kohortenstudie (MoBa) teilnahmen, aus. Von 2.239 Frauen wurde in der 17. Schwangerschaftswoche eine Blutprobe entnommen, um den Quecksilbergehalt zu messen.
Außerdem füllten die Teilnehmerinnen einen Fragebogen zu ihrem Lebensmittelkonsum aus. Damit konnte eine Bewertung des Verzehrs von Fisch und Meeresfrüchten im Zusammenhang mit Quecksilberbelastungen des Blutes stattfinden. Genetische und andere mögliche Störfaktoren wurden dabei herausgefiltert. Außerdem wurde eine Risikoabschätzung für Aufnahmemengen von weniger sowie von mehr als 400 Gramm Fisch und Meeresfrüchte pro Woche vorgenommen. Hintergrund ist, dass die offizielle Verzehrempfehlung in Norwegen einen wöchentlichen Konsum von 350 bis 400 Gramm vorschlägt.
Überraschendes Ergebnis nach fünf Jahren Fischverzehr
Fünf Jahre nach der Geburt fand eine erneute Befragung der Frauen statt. Auf Grundlage verschiedener standardisierter Fragebögen wurden dabei die Sprach- und Kommunikationsfähigkeiten ihrer Kinder ermittelt. Die Ergebnisse wurden in Beziehung zu den Ernährungsangaben der Mütter sowie ihrer sozialen und wirtschaftlichen Stellung gesetzt.
Überraschenderweise ging die Quecksilberbelastung der Mütter während der Schwangerschaft nicht mit einer negativen sondern mit einer positiven Entwicklung sprachlicher und kommunikativer Fähigkeiten ihrer Kinder fünf Jahre später einher. Allerdings traf dies nur bis zu einem Wochenverzehr von maximal 400 Gramm Fisch und Meeresfrüchte zu.
Offensichtlich überwiegen bis zu diesem Grenzwert die Vorteile einer fischreichen Ernährung die Nachteile der Quecksilberbelastung auch für die neuronale Entwicklung des werdenden Lebens. Darüber bleibt das Verhältnis lange in einer ausgeglichenen Position. Eine minimale nachteilige Beeinflussung schließlich wurde lediglich bei den Kindern festgestellt, deren Mütter zu den zehn Prozent der Teilnehmerinnen mit der höchsten Quecksilberaufnahme während der Schwangerschaft gehörten.
Besonders während der Schwangerschaft: Wenig belastete Fischarten wählen
In ihrer Schlussfolgerung schließen sich die Forscher daher der Empfehlung der norwegischen Regierung an, auch während der Schwangerschaft nicht auf Fisch und Meeresfrüchte zu verzichten. Allerdings sollte der Konsum wöchentlich 400 Gramm nicht übersteigen und auf möglichst wenig belastete Sorten zurückgegriffen werden.
Dazu gehören neben den meisten Meeresfrüchten unter anderem Alaska-Seelachs, Forelle, Hering, Karpfen, Lachs, Sardine und Sprotte. Nach einer Untersuchung der staatlichen österreichischen Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit liegen die Quecksilberbelastungen hier zwischen zehn und 40 Mikrogramm je Kilogramm. Vermieden werden sollten hingegen beispielsweise Thunfisch, der mit knapp 200 Mikrogramm belastet sein kann, sowie Butterfisch, welcher sogar bis zu rund 700 Mikrogramm Quecksilber pro Kilogramm enthalten kann.
Kapseln mit Fischöl sind dabei als Nahrungsergänzung besonders empfehlenswert. Denn der Fisch, der üblicherweise zur Herstellung des konzentrierten Omega-3 Öls verwendet wird, ist sehr wenig belastet. Zudem werden die Öle regelmäßig kontrolliert.
Quelle: Vejrup, Kristine, et al., Prenatal mercury exposure, maternal seafood consumption and associations with child language at five years, Environment International, 2017, Epub published ahead of print.