Der Einfluss von Omega-3 Fettsäuren auf Neurotransmitter kann möglicherweise ADHS-Symptome lindern. Das konnte zumindest im Tierversuch nachgewiesen werden.
Hinter dem Kürzel ADHS verbirgt sich eine Störung, die Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätssyndrom genannt wird. Während im 19. bis ins beginnende 20. Jahrhundert hinein ausschließlich Defizite in der Erziehung für das Zappeln, Abwesend-Sein und auch impulsive Verhalten betroffener Kinder verantwortlich gemacht wurden, wird spätestens seit Sigmund Freud auch nach psychologischen Ursachen gesucht. Neuer ist, dass zudem neurobiologische Faktoren bei der Beschreibung von ADHS ins Blickfeld rücken.
Eine einheitliche Diagnose ist aufgrund dessen, dass die Symptome zu diffus sind und nicht nur eine Störung darstellen, sondern von der Außenwelt auch als störend empfunden werden, was disziplinarische statt therapeutische Maßnahmen zur Folge hat, nicht möglich. Sicher ist nur, dass Jungen häufiger ein ADHS entwickeln als Mädchen, dass bis zu zehn Prozent aller Kinder an diesem Syndrom leiden und dass es sich sehr oft nicht mit der Pubertät “auswächst”.
In 40 bis 80 Prozent der Fälle wird die Störung mit in das Teenager-Alter genommen und gut ein Drittel bleiben auch noch als Erwachsene auffällig. Natürlich führt ADHS zu massiven Einschränkungen der Leistungsfähigkeit und der Möglichkeiten, erfolgreich am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen. Sicher auch aus diesem Grunde gibt es inzwischen rund 20.000 Studien zu diesem Thema, wobei dem Wesen der Störung nur bedingt näher gekommen werden konnte.
Sind Studienergebnisse auf den Menschen übertragbar?
Auch die vorliegende Studie muss gewiss, wie nicht zuletzt auch die daran beteiligten Wissenschaftler einräumen, mit einem kritischen Auge betrachtet werden.1 Hier hat sich ein Forscherteam der Universität von Oslo, Norwegen, daran gemacht, ADHS-Symptomen mit mehrfach ungesättigten Omega-3 Fettsäuren zu Leibe zu rücken. Abgesehen von der weitgehend unbekannten Pathologie, muss bei der norwegischen Studie einbezogen werden, dass sie auf Tests mit Ratten beruht.
Es ist unklar, inwieweit Therapieerfolge hier auf den Menschen übertragbar sind, zumal es sich bei den Tieren in der Untersuchung ausnahmslos um kranke Nager handelte. Bei sogenannten SHR-Ratten, die einen spontanen Bluthochdruck entwickeln, können nämlich ähnliche Symptome festgestellt werden, wie bei ADHS.
Wirkung von Omega-3 bei SHR-Jungtieren vor Ausbruch des spontanen Bluthochdrucks beobachtet
Einer Gruppe von weiblichen Ratten wurde vor dem Eintritt der Schwangerschaft Omega-3 dem Futter beigefügt. Dies wurde über die gesamte Schwangerschaft und Zeit in der die Jungen gesäugt wurden beibehalten. Auch danach wurde die Zufütterung beim Nachwuchs bis zum Alter von 20 Tagen beibehalten. In einer Kontrollgruppe wurde weder bei den Mutter- noch bei den Jungtieren Omega-3 der Nahrung zugesetzt. Die Jungtiere wurden von dem Moment an beobachtet, von dem sie von der Mutter getrennt wurden.
Nicht überraschend für SHR-Ratten fanden spontane Mutationen statt, die einen genetischen Schaden verursachen, der nach der Pubertät bei diesen Tieren zum bekannten Auftreten von Bluthochdruck führt, was bisher der Grund war, warum sie von der Wissenschaft aufmerksam beobachtet werden. Bevor es aber zur Hypertonie kommt, zeigen die jungen Ratten ein auffälliges Verhalten, das von Hyperaktivität, Konzentrationsschwächen und Impulsivität geprägt ist. Das sind genau die Hauptsymptome, die auch bei ADHS beobachtet werden.
Omega-3 verstärkt Umsatz von Dopamin, Serotonin und Glutaminsäure – aber nur bei männlichen Ratten
Auf physiologischer Seite konnten die Wissenschaftler in der Omega-3-Gruppe einen signifikant gestiegenen Umsatz der Signal-Hormone Dopamin, Serotonin sowie der essentiellen Aminosäure Glutaminsäure, Stoffe, die übrigens auch einen lindernden Effekt auf das Restless-Legs-Syndrom oder Syndrom der unruhigen Beine haben, feststellen. Darüber hinaus zeigte Omega-3 auf der Verhaltensebene eine Wirkung. Während sich in der Kontrollgruppe die typischen Konzentrationsschwierigkeiten ausprägten, die verhinderten, dass die jungen Ratten einen beleuchteten Knopf betätigen, um zur Belohnung einen Tropfen Wasser zu erhalten, beherrschten die Omega-3-Ratten diese Aufgabe souverän.
Auch Hyperaktivität und Aufmerksamkeitsstörungen waren in dieser Gruppe deutlich reduziert. Allerdings bezogen sich die Verbesserungen nur auf einen Teil der Gruppenteilnehmer. Auch Omega-3 konnten die Verhaltensauffälligkeiten bei weiblichen Tieren nicht abmildern. Lediglich die männlichen Ratten zeigten eine Reaktion auf die mehrfach ungesättigten Fettsäuren. Auch auf der Ebene der Neurotransmitter blieb die Förderung von Dopamin, Serotonin und Glutaminsäure auf die männlichen Nager beschränkt. Bei den weiblichen wurde lediglich ein mittlerer Anstieg des Serotonin-Katabolismus, ein Stoffwechselvorgang, der der Entgiftung dient, festgestellt.
Studie:
- Â Dervola, Kine S., et al., “Marine omega-3 polyunsaturated fatty acids induce sex-specific changes in reinforcer-controlled behaviour and neurotransmitter metabolism in a spontaneously hypertensive rat model of ADHD”, Behavioral and Brain Functions, Volume 8, Number 56 ↩