Folsäuremangel betrifft in Deutschland etwa 90% der Schwangeren. Auch jenseits der Schwangerschaft ist der Mangel weit verbreitet und führt u.a. zu erhöhtem Homocysteinspiegel (begünstigt damit Herz-Kreislauferkrankungen und Demenz). Ebenso führt Folsäuremangel zu Blutarmut, „Anämie“ genannt. Dabei muss das nicht sein: Die obligatorische Lebensmittel-Anreicherung mit Folsäure hat in den USA eine Form der Anämie quasi getilgt.
Die US-amerikanische Emory Universität in Atlanta, Georgia, gehört seit über 100 Jahren zur Association of American Universities (AAU). Hier finden sich traditionell alle die Universitäten zusammen, die sich in verstärktem Maße der Forschung verpflichtet fühlen. Mit einem Stiftungsvermögen von 4,3 Milliarden US-Dollar kann die Emory Universität dabei auch aufwändigere Projekte finanzieren und eine wissenschaftliche Unabhängigkeit garantieren. Aber auch an zahlreichen kleineren Studien beteiligt sich die Universität federführend.
So auch bei einer aktuellen Meta-Untersuchung, für die darüber hinaus Wissenschaftler der Universität von Vermont und der Universität von Alabama, alle USA, mit im Boot saßen, die sich mit den Auswirkungen der Beimengung von Folsäure in verschiedene Lebensmittel wie Mehl beschäftigt.1
Die Anreicherung von Lebensmitteln mit Folsäure wird in den USA bereits seit 1998 praktiziert. Nach 2010 veröffentlichten Daten hat dies – wie in den über 70 weiteren Ländern, in denen dies zu diesem Zeitpunkt der Fall war – dazu geführt, dass eine Reduktion der gefürchteten Neuralrohrdefekte um 46 Prozent erreicht werden konnte. Neuralrohrdefekte entwickeln sich beim Fötus ab der zweiten Schwangerschaftswoche und können zu schweren Behinderungen führen oder auch tödliche Folgen haben. Eine optimale Versorgung mit Folsäure in den Wochen vor der Empfängnis sowie während der Schwangerschaft gilt seit langem als die wirkungsvollste Prophylaxe.
Früher häufiges Auftreten von Anämie aufgrund von Folsäuremangel
Das Forscherteam wollte jedoch in Erfahrung bringen, ob die Folsäure-Anreicherung neben der Verminderung des Auftretens von Neuralrohrdefekten weitere Effekte hat, die von der Wissenschaft bisher weniger beobachtet wurden. Hierbei spielt die Anämie eine entscheidende Rolle. Immerhin lassen sich bei älteren Personen 33 Prozent aller Fälle auf ernährungsbedingte Ursachen zurückführen.
Ganze 6,4 Prozent der Erkrankungen, die sich durch einen Mangel an Hämoglobin auszeichnen, entstanden in den USA vor der generell per Gesetz verfügten Lebensmittelanreicherung durch eine Unterversorgung mit Folsäure oder Vitamin B9. Weitere fünf Prozent konnten mit kombinierten Faktoren aus Defiziten an Folsäure und anderen Nährstoffen in Verbindung gebracht werden. Die aktuelle Untersuchung unter Leitung der Emroy Universität hat nun ergeben, dass die Lebensmittel-Anreicherung praktisch zu einer Eliminierung der aufgrund von Folsäure-Mangel bedingten Anämie geführt hat.
Folsäuremangelbedingte Anämie auf weniger als 0,1 Prozent gesunken
Dieses Resultat gewannen die Forscher aus den Daten von 1.546 Probanden im Alter von 45 Jahren und darüber, die im Rahmen der in den Jahren 2003 bis 2007 durchgeführten Kohorten-Studie „Reasons for Geographic and Racial Differences in Stroke“ (REGARDS) erhoben wurden.
Lediglich bei zwei Teilnehmern lag ein Folsäure-Defizit vor, das mit weniger als 6,6 Nanomol pro Liter oder 3,0 Nanogramm pro Milliliter Serum definiert wird. Zudem konnte nur bei einem dieser Probanden eine Anämie nachgewiesen werden, die bei erwachsenen Männern mit einem Hämoglobin-Wert von weniger als 13 Gramm pro Liter und bei nicht schwangeren Frauen unter 12 Gramm pro Liter Serum verbunden ist. Die entspricht einer Prävalenz für Folsäure bedingte Anämie von weniger als 0,1 Prozent.
Dabei fügten die Forscher jedoch hinzu, dass eine verstärkte Einnahme von entsprechenden Präparaten und die Hinwendung zu einer bewussteren Ernährung in den vergangenen Jahren gewiss ihren Anteil daran hatten, das Auftreten dieser Form von Anämie nahezu auszurotten. Als wesentliche Maßnahme stellten sie dennoch die gesetzliche Beimischung von Folsäure in Mehl heraus.
Warum gibt es keine Folsäure-Anreicherung in Deutschland?
In Deutschland, Österreich oder der Schweiz findet übrigens eine obligatorische Anreicherung ausgewählter Lebensmittel mit Folsäure immer noch nicht statt. Trotz wiederholtem Appell aus der Ärzteschaft. Dies unter anderem auch aufgrund einer von vielen Fachleuten als absurd empfundenen Diskussion über die Folgen einer Überversorgung mit Folsäure.
Zudem lehnen Verantwortliche die Anreicherung ab, da es ja möglich ist, sich über entsprechende Lebens- und Ergänzungsmittel selber zu versorgen. De facto geschieht dies jedoch nicht, weswegen wir uns hierzulande wohl auch in Zukunft verstärkt mit Themen wie Neuralrohrdefekten und Anämie zu beschäftigen haben werden.
Studie:
- Odewole, O. A., et al., „Near-elimination of folate-deficiency anemia by mandatory folic acid fortification in older US adults: Reasons for Geographic and Racial Differences in Stroke study 2003-2007“, American Journal of Clinical Nutrition, Epub published ahead of print. ↩