Erstmals ist es französischen Wissenschaftlern gelungen, nachzuweisen, dass das Risiko für eine chronisch obstruktive Lungenerkrankung durch eine gesunde Ernährung um bis zu 30 Prozent vermindert werden kann. Die Grundlage dieser Aussage bilden die Daten von zwei sehr großen Studien, so daß das Ergebnis als abgesichert gelten kann.
Was ist die chronisch obstruktive Lungenerkrankung?
Die chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD) bezeichnet keine spezifische Krankheit. Vielmehr sind hier eine Reihe an schweren Krankheitsbildern mit oft tödlichem Verlauf zusammengefasst. Im Einzelnen wird dabei zwischen akuten Infektionen der Atemwege, bestimmten Formen der Bronchitis sowie nicht weiter definierten Lungenerkrankungen unterschieden.
Als Hauptursache der COPD gilt der Tabakkonsum. Daher wird sie im Volksmund auch Raucherlunge genannt. Die Gefahr durch Zigaretten ist sicher erheblich. Nach neueren Studien sind jedoch die Folgen einer gravierenden Umweltverschmutzung hauptsächlich für COPD verantwortlich. Erstaunlicherweise spielt aber auch die Ernährung eine Rolle, da bei einer erhöhten Aufnahme von Lebensmitteln, die Nitrit-Pökelsalz oder Nitrit enthalten, das Erkrankungs-Risiko steigt.
Die drei Hauptsymptome einer COPD bestehen in einem gelblich-bräunlichen Auswurf, tief sitzendem Husten sowie Atemnot schon bei leichten körperlichen Anstrengungen. Eine Diagnose kann aber nur ein Arzt stellen. Einzelne Symptome können auch andere, manchmal recht undramatische Ursachen haben.
Verbreitung der COPD in Deutschland
Über 13 Prozent der Deutschen leiden an einer COPD. Bei insgesamt fünf Prozent liegt eine schwerere Form – das sogenannte GOLD-Stadium II – vor und bei einem Prozent mit den GOLD-Stadien III und IV schwere bis schwerste Formen. Jährlich sterben in Deutschland laut Bundesamt für Statistik über 25.000 Menschen an COPD – Tendenz steigend.
Prominente Opfer in jüngster Zeit waren der Schlagersänger Roland Kaiser, der nur durch eine Lungentransplantation gerettet werde konnte, sowie der legendäre Mr-Spock-Darsteller Leonard Nimoy, der Ende Februar 2015 den Folgen dieser Erkrankung erlag.
Ernährung kann COPD-Risiko beeinflussen
Nun haben Wissenschaftler des französischen Inserm herausgefunden, dass eine bestimmte Ernährungsweise das COPD-Risiko nicht nur steigern sondern auch senken kann.1 Inserm steht für „Institut national de la santé et de la recherche médicale“ und ist als Entwicklungs– und Forschungseinrichtung dem französischen Forschungs- sowie dem Gesundheitsministerium unterstellt.
Zudem wurde eine Kooperation mit US-amerikanischen Wissenschaftlern eingegangen. Im Mittelpunkt ihrer Untersuchung stand die vermehrte Aufnahme von Vollkornprodukten, mehrfach ungesättigten Fettsäuren und Nüssen bei einem geringeren Verzehr an rotem und beispielsweise zu Wurst verarbeitetem Fleisch, Auszugsmehl sowie gesüßten Getränken.
Daten von über 120.000 Personen berücksichtigt
Ein nicht zu unterschätzendes Gewicht erhält die Untersuchung dadurch, dass sie auf dem Datenmaterial von zwei der umfangreichsten und am besten dokumentierten Langzeitstudien basiert, die je durchgeführt wurden. Dabei handelt es sich einerseits um die Nurses‚ Health Study und andererseits um die Health Professionals Follow-up Study.
Bei der Nurses‚ Health Study nahmen Mitarbeiterinnen im Gesundheitswesen teil. Hier wurden die Ergebnisse aus den Jahren 1984 bis 2000 einbezogen. Die zweite Studie bezieht sich auf Untersuchungsergebnisse bei männlichen Ärzten im Zeitraum zwischen 1986 und 1998. Insgesamt könnten dabei die Daten von über 120.000 Personen aus den USA zusammengetragen werden. Bei allen berücksichtigten Teilnehmern war gewährleistet, dass sie ihre Fragebögen zu Ernährungsgewohnheiten regelmäßig und vollständig ausgefüllt haben.Die Studien sind also insgesamt sehr aussagekräftig.
Bei denjenigen, bei denen zwischen 1984 und 2000 Emphyseme – das sind übergroße Luftbläschen in der Lunge, die nicht heilbar sind – oder ein chronisches Bronchial-Leiden festgestellt wurde, erfolgte eine Überprüfung auf COPD. Diese Diagnose fiel bei 890 Personen, 723 Frauen und 167 Männer, positiv aus. Die Diskrepanz zwischen der Anzahl der Erkrankungen bei Männern und bei Frauen ergibt sich daraus, dass deutlich mehr Frauen an den Ursprungs-Studien teilnahmen als Männer.
COPD-Risiko-Verminderung um 30 Prozent durch Ernährung möglich
Für die Analyse bereinigten die französischen Forscher die Daten von 12 anderen Einflussfaktoren wie Alter, Grad der physischen Aktivität, Tabakkonsum, Body Mass Index und dem ethnischen Hintergrund. Es blieben also nur ernährungsbezogene Merkmale bezüglich des COPD-Risikos übrig. Genau hier stellten die Wissenschaftler fest, dass diejenigen Teilnehmer, die sich nach dem Alternative Healthy Eating Index 2010 (AHEI-2010) am gesündesten ernährten ein um über 30 Prozent geringeres Risiko hatten, an COPD zu erkranken, als die Teilnehmer, die es mit einer gesunden Ernährung am wenigsten ernst nahmen.
Das steckt hinter dem AHEI-2010
Der AHEI-2010 fußt auf dem Health Eating Index-2005 (HEI-2005). Dieser enthielt die US-amerikanischen Richtlinien für eine gesunde Ernährung, berücksichtigte jedoch noch nicht den Zusammenhang zwischen Ernährung und dem Risiko chronischer Erkrankungen. Mit dem AHEI-2010 wurden elf Ernährungsfaktoren definiert, die einen Einfluss auf die Häufigkeit von Herz-Kreislaufkrankheiten, Diabetes, Krebs oder einer erhöhten Sterblichkeit haben.
Genau diesen Risiken wirkt ein erhöhter Verzehr von Gemüse, Vollkorn-Produkten, Nüssen, mehrfach ungesättigten Fettsäuren sowie langkettigen Omega-3-Fettsäuren und ein reduzierter Alkoholkonsum – jedoch keine Abstinenz – vor. Dazu sollten Auszugsmehl (gewöhnliches Weissmehl), rotes und verarbeitetes Fleisch sowie mit Zucker gesüßte Getränke weniger bis gar nicht auf der Speiseliste stehen.
Ernährung kann COPD-Risiko reduzieren, vergleichbar mit dem Aufgeben des Rauchens
Mit der aktuellen Inserm-Studie kann eine Befolgung der AHEI-2010-Richtlinien auch im Falle der chronisch obstruktiven Lungenerkrankung als Risiko-vermindernd angesehen werden. Tatsächlich haben auch Menschen, die das Rauchen aufgegeben haben, im Vergleich zu aktiven Rauchern ein um etwa ein Drittel reduziertes Risiko, an COPD zu erkranken. Die französischen Wissenschaftler weisen angesichts ihrer Ergebnisse auf die Wichtigkeit hin, die Entstehungsgewohnheiten bei der Entwicklungsgeschichte von COPD einzubeziehen.
Quellen: http://www.bmj.com/content/350/bmj.h286
- Valloso, R., et al., „Alternate Healthy Eating Index 2010 and risk of chronic obstructive pulmonary disease among US women and men: prospective study“; BMJ 2015;350:h286 ↩