Polyphenole haben Einfluss auf die Wirkung von Kohlenhydraten auf den Blutzuckerspiegel – der Wirkmechanismus dahinter ist aber noch unklar. Verschiedene Studien legen aber nahe, dass die Insulinsensitivität, die Zuckerverarbeitung und das Risiko, an Diabetes zu erkranken, durch eine polyphenolreiche Ernährung positiv beeinflusst werden kann.
Arzneimittel sind hochspezialisierte Stoffe, von denen im günstigsten Fall sehr geringe Mengen ausreichen, um punktuell einen sprichwörtlichen “Knopfdruckeffekt” zu erzielen. Natürliche Substanzen hingegen entfalten in der Regel eine sehr komplexe Wirkung, die in die hochkomplizierten Vorgänge des Organismus eingebunden sind.
Eine Folge davon ist häufig, dass wir mit einer sehr hohen Wahrscheinlichkeit belegen können, dass ein Stoff “funktioniert” oder auf eine bestimmte Weise wirksam ist. Den Wirkmechanismus dahinter haben wir aber oft nur in Ansätzen oder nicht einmal dies aufgedeckt. Dies trifft auch auf Polyphenole zu.
Nun ist es sicher ein müßiges Unterfangen, alle Polyphenole unter einen Hut bringen zu wollen. Zu dieser großen Gruppe gehören schließlich ganz unterschiedliche Stoffe wie pflanzliche Geschmacks- und Farbstoffe, Gerbstoffe oder Tannine. Zu letzteren gehören übrigens auch Oligomere Proanthocyanidine (OPC) zum Beispiel aus Traubenkernen, Cranberries oder Pinienrinde. Auch Zimt, ebenfalls eine Rinde eines Strauches, enthält eine größere Menge an Polyphenolen.
Studien zu Polyphenol-Farbstoffen beobachteten Wirkung ganzer Früchteauf den Blutzucker
So bestätigt eine stets steigende Anzahl an Studien, dass Polyphenole regulierend auf den Blutzuckerspiegel wirken können. Das Problem daran ist nur: Bisher ist den Wissenschaftlern noch nicht so recht klar, wie das im Detail funktioniert. Einige Vermutungen, die sich mehr und mehr bestätigen, gibt es dennoch.
Zu den Polyphenolen beispielswese, die als Pflanzenfarbstoffe ein kräftiges Rot, Blau und Violett hervorbringen und zu den Anthocyanen gehören, gibt es eine ganze Reihe an epidemiologischen Daten. Nach ihnen führt eine höhere Aufnahme dieser Farbstoffe zu einem niedrigeren Nüchterninsulinspiegel sowie eine verminderte Insulin-Resistenz.
Einschränkend muss dabei jedoch hinzugefügt werden, dass diese Erkenntnisse nur aus Studien stammen, bei denen die Anthocyane in Lebensmitteln also gemeinsam mit der ganzen bläulichen, rötlichen oder violetten Frucht aufgenommen wurden. Es kann also sein, dass hier die natürliche Kombination an Inhaltsstoffen mehr für den Effekt verantwortlich ist, als einzelne Substanzen.
Hemmen Polyphenole Enzyme der Kohlenhydrat-Verdauung?
Eine schon seit längerem vertretene Vermutung lautet, dass Polyphenole in Form von Tanninen einen Effekt auf diejenigen Enzyme haben könnten, die dafür zuständig sind, Kohlenhydrate im Organismus abzubauen. Auf diese Weise werden sie nämlich für den Körper verfügbar gemacht und haben einen Einfluss auf den Blutzuckerspiegel.
Genau diese Wirkung von Lebensmitteln wird mit dem Glykämischen Index gemessen. Je höher er liegt, wie beispielsweise bei Lebensmitteln aus weißem Mehl, desto ungünstiger für den Blutzuckerspiegel.
Polyphenole begünstigen Blutzuckerspiegel – die Hypothese wird seit 1984 vertreten
Eine der ersten Studien, die auf diesen Zusammenhang hinwies, wurde an der medizinischen Fakultät der Universität von Toronto in Ontario, Kanada, durchgeführt und schon 1984 veröffentlicht. Hier wurde herausgestellt, dass es unter Polyphenol-Einfluss zu einer Hemmung derjenigen Enzyme kommt, die zur Verdauung von Mehrfachzuckern wie Stärke beitragen.
Dabei handelt es sich um Amylasen, insbesondere Alpha-Amylasen. Darüber hinaus vermuteten die Wissenschaftler, dass es eine direkte Wechselwirkung zwischen Stärke und Polyphenolen geben könnte. So erklärten sie, warum Kohlenhydrate aus Hülsenfrüchten den Glykämischen Index weniger ansteigen ließen als solche aus Getreide. Hülsenfrüchte enthalten nämlich bei weitem mehr Polyphenole als Getreide.
Allerdings mussten sie auch eingestehen, dass die Wirkmechanismen hinter der umgekehrt proportionalen Beziehung zwischen einer Aufnahme von Polyphenolen und dem Glykämischen Index letztendlich nicht vollständig klar sind (1).
Studie aus 2010 gibt weitere mögliche Wirkmechanismen an
Auch neuere Untersuchungen, wie eine Studie von der Universität Ostfinnland aus dem Jahre 2010 gehen in eine ähnliche Richtung. Die dortigen Forscher vermuteten den möglichen Grund, für den verminderten Einfluss von Kohlenhydraten auf den Blutzuckerspiegel bei gleichzeitiger Zufuhr von Polyphenolen, naheliegender Weise ebenfalls darin, dass es so zu einer Hemmung der Verdauung von Kohlenhydraten kommt.
Dazu führen sie weitere Wirkmechanismen an, für die es Indizien gibt. So könnte durch die Zufuhr von Polyphenolen:
- eine verstärkte Aufnahme von Glukose in den Darm,
- eine Anregung der Insulin-produzierenden Inselzellen oder Beta-Zellen,
- eine Anpassung der Glukose-Ausschüttung in der Leber,
- eine Aktivierung der Insulinrezeptoren,
- eine Aufnahme von Glukose in insulinsensitive Gewebearten und
- eine Anpassung der intrazellulären Signalwege und Genexpressionen erfolgen (2).
Eine Schutzwirkung gegen Typ-II-Diabetes immer wahrscheinlicher
Zwei Jahre später, im Jahre 2012, veröffentlichten Wissenschaftler der britischen Universität von Leeds eine Überprüfung der bisherigen Forschungsergebnisse. Ihre Resultate decken sich weitgehend mit denen aus Finnland. Zudem weisen sie auf eine Verbesserung des Nüchternblutzuckerspiegels sowie eine verbesserte Insulinempfindlichkeit und Ausschüttung des Hormons hin. Insgesamt kamen die britischen Wissenschaftler zu dem Schluss, dass die Aufnahme von Polyphenolen über die Nahrung ohne jeden Zweifel Einfluss auf den Glykämischen Index von Lebensmitteln haben wird.
Infolgedessen kommt es zu einer Regulierung der Blutzuckerwerte nach der Nahrungsaufnahme. Dieser Effekt tritt unabhängig vom Lebensalter auf. Als gesichert erscheint den Forschern die seit langem vorgetragene Hypothese, dass hier eine Hemmung von Enzymen, die für die Verdauung von Kohlenhydraten zuständig sind, sowie von bestimmten Transportern für Kohlenhydrate stattfindet.
Eine Einschätzung auf den Einfluss von Polyphenolen auf das konkrete Diabetes-Risiko, ist nach Aussagen der Wissenschaftler aus Leeds zum derzeitigen Zeitpunkt jedoch noch mit zu vielen Unsicherheiten verbunden. Allerdings unterstützen es die einschlägigen epidemologischen Studien, von einer Tendenz zu einer Schutzwirkung gegen die Entwicklung eines Typ-II-Diabetes zu sprechen (3).
Studien:
(1) Thompson, L. U., Relationship between polyphenol intake and blood glucose response of normal and diabetic individuals, Am J Clin Nutr. 1984 May;39(5), S. 745 – 51.
(2) Hanhineva, K., Impact of dietary polyphenols on carbohydrate metabolism, Int J Mol Sci. 2010 Mar 31;11(4), S. 1365 – 402.
(3) Williamson. G., Possible effects of dietary polyphenols on sugar absorption and digestion, Mol Nutr Food Res. 2013 Jan;57(1), S. 48 – 57.