Diabetes Typ 2 ist nicht heilbar? Das sagt die Schulmedizin. Aber es gibt auch andere Hinweise. So zeigt eine neuere Studie: Eine Extremdiät hat das Potential, Typ-2-Diabetes in 40 Prozent der Fälle verschwinden zu lassen.
Betroffenen bereitet die Diagnose Typ-2-Diabetes einen besonderen Schrecken dadurch, dass ihr etwas so Endgültiges anhaftet. Nach bisheriger Überzeugung nimmt die Erkrankung nämlich unaufhaltsam ihren Lauf und erfordert zunächst die Einhaltung einer speziellen Diät sowie die Einnahme von Antidiabetika. Bei einer fortgeschrittenen Entwicklung wird dann auch noch die Vergabe von Insulin-Injektionen notwendig. Eine Heilung galt bis dato als ausgeschlossen.
Wissenschaftler der Universitäten von Newcastle und Glasgow, beide Vereinigtes Königreich, sowie der nigerianischen Lagos State Universität könnten hier für Viele eine gute Nachricht haben, die Patienten allerdings ein Höchstmaß an Disziplin abverlangt.
Was, wenn eine dauerhafte Normalisierung der Blutzuckerwerte möglich ist?
Unter dem Namen Diabetes Remission Clinical Trial (DiRECT) führten die Forscher eine Intensivstudie mit insgesamt 30 Teilnehmern durch. Alle Personen litten an einem Typ-2-Diabetes. Die Erkrankung bestand zu Beginn der Studie seit zwischen sechs Monaten und 23 Jahren. Bekannt war schon vorher, dass über eine kurzfristige, extrem kalorienarme Diät häufig eine akute Verbesserung der Blutzuckerwerte erreicht werden kann.
Das britisch-nigerianische Team um Prof. Dr. Roy Taylor wollte nun aber die Dauerhaftigkeit dieser Normalisierung überprüfen. Außerdem wollten sie herausfinden, ob auf diese Weise sogar ab einem gewissen Punkt die körpereigene Produktion von Insulin wieder einsetzt.
624-Kilokalorien-Diät führt zu deutlicher Gewichtsabnahme
Für die Patienten, die an der Studie teilnahmen, hieß dies allerdings, über einen Zeitraum von acht Wochen, mit einer Flüssignahrung, die sich zu 43 Prozent aus Kohlenhydrat, zu 34 Prozent aus Protein und zu 19,5 aus Fett zusammensetzte, auszukommen. Lediglich 624 Kilokalorien wurden so pro Tag aufgenommen. Gleichzeitig wurde die Einnahme aller Medikamente gestoppt. Das galt auch für die intravenöse Vergabe von Insulin. Am Ende der zweimonatigen Radikaldiät waren die Fettzellen der Teilnehmer weitgehend abgeschmolzen und das Körpergewicht von durchschnittlich 98 Kilogramm auf 83,8 Kilogramm gefallen.
Im folgenden Schritt wurden die Teilnehmer schrittweise sowie individuell wieder auf eine normale Ernährung eingestellt, die den Energiebedarf des Organismus deckt. Dabei konnten sie ihr vermindertes Körpergewicht weitgehend halten. Es lag auch noch nach sechs Monaten bei 84,7 Kilogramm im Mittel.
Fast unglaublich: Auch nach sechs Monaten normaler Blutzuckerspiegel bei 13 Teilnehmern
Das bei weitem wichtigere Ergebnis jedoch war, dass bei 12 Testpersonen nach der achtwöchigen, extrem kalorienarmen Ernährung der Nüchtern-Blutzuckerspiegel wieder einen Normalwert von unter 126 Milligramm pro Deziliter erreichte.
Nach sechs Monaten lagen sogar 13 Teilnehmer im Normalbereich. Die Schlussfolgerung der Wissenschaftler lautete daher, dass ein achtwöchiges, sehr konsequentes Programm zur Gewichtsreduktion bei Diabetes-Typ-2-Patienten in mindestens 40 Prozent der Fälle dazu führen kann, dass die Produktion des Hormons Insulin wieder einsetzt, die Leberzellen erneut insulinempfindlich sowie Blutzuckerwerte dauerhaft normalisiert werden. Weitere Voraussetzung dafür ist jedoch, dass das Gewicht gehalten wird.
Die Medizin steht vor einer völlig neuen Sicht auf den Diabetes Typ 2
Studienleiter Roy Taylor spricht hier sogar von einem Paradigmenwechsel in der Sicht auf den Typ-2-Diabetes, der nun nicht mehr länger als unheilbar gelten kann, sondern als Teil des metabolischen Syndroms verstanden werden muss, das prinzipiell rückgängig gemacht werden kann. In Anbetracht von derzeit nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) weltweit rund 350 Millionen Diabetikern eine neue Erkenntnis, deren Bedeutung kaum hoch genug eingeschätzt werden kann.
Quelle: Taylor, R., Very Low-Calorie Diet and 6 Months of Weight Stability in Type 2 Diabetes: Pathophysiological Changes in Responders and Nonresponders, Diabetes Care. 2016 May;39(5), S. 808 – 15.