Was bringen Studien, die herausfinden, dass bei optimalem Vitamin-D-Niveau eine Einnahme über die Einnahmeempfehlung hinaus keinen weiteren Nutzen zeigt?
Ein Problem bei randomisierten kontrollierten Studien ist immer, dass bereits ihr Aufbau einen entscheidenden Einfluss auf die Ergebnisse hat. Wird dabei mit Voraussetzungen gearbeitet, die dem Untersuchungsgegenstand nicht gerecht werden, kann die Aussage der Studie nur begrenzt sein. Schlimmstenfalls stehen am Ende sogar Aussagen, die die weitere Forschung in eine falsche Richtung drängen.
Wenn Studienergebnisse in die Irre führen
Beispiel: In einer vergleichenden Studie treten zwei Kopfschmerzmedikamente sowie ein Placebo gegeneinander an. Das doppelblinde Studiendesign (doppelblind: weder Arzt noch Patient wissen, ob sie ein Placebo oder das vermutlich wirksame Mittel einnehmen) umfasst eine große Teilnehmergruppe und der Beobachtungszeitraum ist großzügig ausgelegt. Weitere Einflussfaktoren werden ausgeschlossen sowie umfangreiche Untersuchungen und Tests angesetzt. Man kann also sagen, dass hier ein hochwertiges Studiendesign vorliegt, das zu aussagekräftigen Ergebnissen führen dürfte.
Diese bestehen aber darin, dass in beiden Medikamentengruppen sowie in der Placebogruppe die gleichen Ergebnisse erzielt werden, welche aussagen, dass keinerlei Unterschiede zur Ausgangssituation festgestellt werden konnten. Schlussfolgerung: Die Kopfschmerztabletten sind wirkungslos. Erst bei näherem Hinsehen fällt auf, dass sich unter den Teilnehmern keine Person befand, die zu Studienbeginn oder während der Einnahmephase an Kopfschmerzen litt. Es konnte also gar keine Wirkung erzielt werden.
Ergänzungen stellen besondere Anforderungen an Studienaufbau
Was im obigen Beispiel sehr leicht als unsinniger Studienaufbau identifiziert werden kann, fällt im Falle von Nährstoffen und ihren Gesundheitswirkungen oft nicht so leicht auf.
Einer der Gründe dafür ist, dass hier die Wirkung nicht gezielt erfolgt sondern aufgrund komplexer Wirkmechanismen, die wir in den meisten Fällen gerade erst anfangen zu verstehen. Ein sorgfältiges Design ist hier also besonders entscheidend, um Fehler zu vermeiden.
Vitamin-D-Studie mit 703 Kindern: 400 IE oder 2.000 IE täglich
Dennoch werden sie begangen und das in eklatanter Weise. Als reales Beispiel dafür kann eine vielzitierte Studie gelten, die von kanadischen Wissenschaftlern unter anderem der Universität von Toronto und des nahegelegenen St. Michael’s Hospital durchgeführt wurde. Bei ihr standen 703 Kinder im Alter von einem bis fünf Jahren im Mittelpunkt. Sie bekamen über einen Zeitraum von mindestens vier Monaten einer Wintersaison entweder eine Standarddosis von 400 Internationalen Einheiten (IE) Vitamin D oder hochdosierte 2.000 IE Vitamin D täglich verabreicht. Eine Zufuhr von 400 IE Vitamin D entspricht dabei der Einnahmeempfehlung, wie sie auch die deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) vertritt.
Kritik an der Aussagekraft der Ergebnisse zur Vitamin D Studie
Das Ergebnis war, dass die höhere Dosis keinen Schutz gegen winterliche Erkältungserkrankungen bot, der über denjenigen der Standarddosis hinausging. In der Schlussfolgerung wird also proklamiert, dass mehr nicht immer besser ist. Die Studienresultate sprächen nicht für das Erfordernis einer routinemäßigen hochdosierten Vitamin-D-Ergänzung zur Vorbeugung winterlicher Infektionen der oberen Atemwege bei gesunden Kindern.
Das Problem an dieser Einschätzung ist jedoch, dass bei keinem der Kinder ein Vitamin-D-Mangel oder auch nur ein Defizit vorlag. Sowohl in der Standarddosis– als auch in der Hochdosis-Gruppe lag der Vitamin-D-Blutspiegel zu Studienbeginn mit 36,5 Nanogramm pro Milliliter Serum im optimalen Bereich.
Vorhersehbares Ergebnis ist Wasser auf den Mühlen von Nahrungsergänzungs-Gegnern
Abgesehen von der Frage, wie wohl die Untersuchungsresultate ausgesehen hätten, wenn Teilnehmer mit Vitamin-D-Mangel ausgewählt worden wären, birgt die “mehr-hilft-nicht”-Aussage einige Gefahren. So werden solche Ergebnisse regelmäßig von Gegner einer Vitamin-D-Ergänzung herangezogen, um deren Wirkungslosigkeit oder gar ein Gefahrenpotential zu behaupten. Schlimmstenfalls wird auf diese Weise eine Einnahme auch innerhalb von Risikogruppen verhindert.
Es bleibt also die Frage, warum die kanadischen Forscher eine durchaus kostspielige Studie mit einer Teilnehmergruppe durchgeführt haben, bei der es absehbar höchst unwahrscheinlich war, dass eine hochdosierte Vitamin-D-Vergabe mit weiteren Vorteilen verbunden ist.
Quelle: Aglipay, Mary, et al., Effect of High-Dose vs Standard-Dose Wintertime Vitamin D Supplementation on Viral Upper Respiratory Tract Infections in Young Healthy Children, JAMA, Volume 318, Issue 3, S. 245 – 254.