Selenmangel ist bereits heute in Europa ein großes Thema, denn die Böden sind – anders als z.B. in den USA – arm an Selen. Eine Studie hat nunr herausgefunden, dass sich das nicht verbessern wird. Denn der Klimawandel nagt an den Inhaltsstoffen unserer Nahrung.
Mineralstoffe und Spurenelemente nehmen wir über die Nahrung auf. Wir sind essentiell auf sie angewiesen, da unser Organismus diese Verbindungen nicht selber herstellen kann. Das gilt aber auch für unsere Nahrungsquellen unabhängig davon, ob sie tierischer oder pflanzlicher Natur sind. Auch sie versorgen sich von außerhalb mit Mineralstoffen.
Das heißt am Anfang der Nahrungskette entscheidet der Gehalt in Böden und im Wasser, wie reichhaltig Mineralstoffe in der Nahrung enthalten sind. Im Falle von Selen gilt Deutschland, insbesondere Bayern, Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg, bereits heute als Mangelgebiet. Eine Studie von Wissenschaftlern aus der Schweiz, Deutschland und Großbritannien hat herausgefunden, dass sich diese Situation in Zukunft wohl noch verschärfen wird. Grund dafür ist der Klimawandel, der auch Veränderungen in der Bodenzusammensetzung zur Folge hat.
Modell zum Klimawandel erlaubt Prognose von Selenversorgung
Durch sogenanntes Data-Mining beziehungsweise die systematische Analyse einer gigantischen Datenmenge konnte das Forscherteam unter Leitung von Mitarbeitern der Eidgenössischen Anstalt für Wasserversorgung, Abwasserreinigung und Gewässerschutz (Eawag) ein komplexes Modell zum Klimawandel und seinem Einfluss auf die Böden aufstellen.
Dazu wurden aus 16 Datenbanken insgesamt 33.241 Bodenproben ausgewertet, die zwischen 1994 und 2016 entnommen wurden. Dabei konzentrierten sich die Wissenschaftler auf die Selen-Konzentrationen in einer Tiefe von 30 Zentimetern. Hier wurden Änderungen aufgezeichnet und in Zusammenhang mit mit 26 Umgebungsvariablen wie beispielsweise die Niederschlagsmenge gebracht.
Bis zum Ende des 21. Jahrhunderts rund 66 Prozent der nutzbaren Böden betroffen
So wurde ein höherer Selen-Gehalt in Gebieten mit Tonböden und niedriger bis mittlerer Niederschlagshäufigkeit festgestellt. Böden mit höherem pH-Wert und geringerem Tonanteil in trockeneren Gegenden hingegen wiesen niedrigere Selen-Konzentrationen auf. Anhand dieser und weiterer Auswertungen konnten die Wissenschaftler Aussagen zum Selen-Gehalt in den Jahren 1980 bis 1999 sowie 2080 bis 2099 machen.
Die Prognose zeigt dabei sehr deutlich, dass bis zum Ende des Jahrhunderts die Böden in etwa 66 Prozent der landwirtschaftlich nutzbaren Gebiete Europas sowie des Südwestens der USA weiter erheblich an Selen verlieren werden.
Selen-Mangel wird fortschreiten – Mikronährstoffdüngung die Lösung?
Eine Konsequenz daraus dürfte sein, dass der bereits heute weit verbreitete Selen-Mangel, der gegenwärtig weltweit etwa eine Milliarde Menschen betrifft, weiter steigen wird. Auf eine ausreichende Versorgung mit Selen sollte dabei aus verschiedenen Gründen geachtet werden.
So kann durch Selen-Mangel beispielsweise die Keshan-Krankheit, eine Herzmuskelerkrankung, gefördert werden. Sie tritt mit Symptomen wie Herzrhythmusstörungen und Herzschwäche bei einer täglichen Zufuhr von dauerhaft weniger als zehn Mikrogramm Selen auf. Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) empfiehlt seit 2014 Erwachsenen 70 Mikrogramm am Tag aufzunehmen und Säuglinge im siebten bis elften Monat mit täglich 15 Mikrogramm zu versorgen.
Als vorstellbare Lösung für schwindende Selen-Konzentrationen weisen die Studienautoren übrigens auf die Möglichkeit einer Anreicherung der Böden über eine spezielle Mikronährstoffdüngung hin (1). Eine Maßnahme, die bereits seit längerem wie in einer schon 1988 erschienenen finnischen Studie von Wissenschaftlern der Universität von Helsinki diskutiert wird (2).
Quellen:
(1) Winkel, Lenny H. E., et al., Selenium deficiency risk predicted to increase under future climate change, Proceedings of the National Academy of Sciences, 2017, vol. 114 no. 11, S. 2848 – 2853.
(2) Varo, P., et al., Selenium intake and serum selenium in Finland: effects of soil fertilization with selenium, Am J Clin Nutr. 1988 Aug;48(2), S. 324 – 29.